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Mehr zu >>China auf historia interculturalis |
Ein Aspekt der
europäisch-chinesischen Beziehungen sind die wechselseitigen meist modehaften Kulturimporte, von denen uns hier die
europäische Variante interessiert, die im 18./19. Jahrhundert zur französischen
Wortschöpfung „Chinoiseries“, parallel zu den „Turqueries“, Anlass gaben – Begriffe, die auch in den
deutschen Wortschatz eingegangen sind. Diese oberflächliche Form des
Exotismus (gegenüber durchaus ernsthafteren Ansätzen in Kunst und Literatur)
scheint zeitlos und politikübergreifend zu sein, findet man doch dieselbe Verknüpfung
zwischen Begeisterung für das Äußere und Unkenntnis in der Sache einerseits
bei der Suche nach dem alten, „ewigen“ China wie andererseits ganz konträr
beim zeitweiligen Enthusiasmus für Maos Kulturrevolution, deren eines Ziel
die Zerstörung alles „Alten“ war. 2001 hat Michael Lackner im
Rahmen einer Tagung der Bundeszentrale
für politische Bildung über China
als aufsteigende Weltmacht des 21. Jahrhunderts.eine Kritik des Kulturalismus in und über China geäußert: „Alles ist
"Kultur": Essstäbchen, Computer-Eingabe-Methoden für
Schriftzeichen, eine Tasse Tee usw.usw. Das wiederentdeckte bzw.
neuerfundene "Alte" hat Konjunktur.“ Bezeichnenderweise
bestätigen sich Stereotypen oft in der sich überkreuzenden Eigenwahrnehmung und Fremdwahrnehmung – ein Thema, auf
das wir an anderer Stelle ausführlicher eingehen werden. Die Rezeption chinesischer
Kultur, mag man sie nun mit kritischen Anführungszeichen versehen oder auch
nicht, in Europa und Deutschland ist selbst schon wieder Geschichte, die uns
einiges lehren kann, gerade in ihren Moden und Absonderlichkeiten. In diesem
Sinne haben wir den nachfolgenden Beitrag aus einer Debatte Mitte der 80er
Jahre auf diese Seite von historia interculturalis aufgenommen. W.G. |
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Originaltitel: Yin und
Yang im Klassenzimmer: ex oriente nox? Anmerkungen zu lngeborg
Mecklings und GundeI Mattenklotts Beiträgen in DD 84, 1985, in: Diskussion Deutsch 86, S. 692 – 695 © 1985/2006 Thomas Lange |
Yin und Yang im Klassenzimmer? China-Moden der 80er Jahre – mit einem kurzen Rückblick auf
Brecht Redaktionell
überarbeiteter Beitrag aus Diskussion
Deutsch 86, 1985 von Thomas Lange |
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In zwei
Beiträgen der Zeitschrift Diskussion
Deutsch (Heft 84/1985) wurde ein Denkmodell ins Licht der Diskussion
gestellt, das bis dahin eher in kleinen Zirkeln sich verborgen hatte: die
Sucht, Rettung beim "Uralten" zu finden. Es war nicht, wie bei
gestandenen Konservativen, das "Klassische", es waren nicht
"die Alten", nein, das UR-Alte musste es sein, nämlich die
Geheimnisse des Fernen Ostens, das Tao und Yin und Yang. Nun, zwanzig Jahre
später, sind Tai Chi, Qi Gong, Bachblüten, Gaia,
Heilenergien, Rebirthing, Reiki,
Karmaarbeit etc. pp. zum esoterischen Alltag bzw. ist Esoterik alltäglich
geworden. Das war ein Anlass, diese Miszelle wieder hervorzuholen, die
damals – offensichtlich vergeblich – versuchte, jenes Denkmodell ins Licht
der Kritik und damit in seiner Unreflektiertheit bloß zu stellen: westliches
Denken spiegelt hier das Licht des Ostens gleichsam blind, nämlich ohne es zu
reflektieren. |
Die Einleitung wurde überarbeitet, der restliche Text original belassen inkl. alter Rechtschreibung. |
Ingeborg Meckling,
"Sehenlernen
- Einführung in das bildhafte Denken", S. 388-409, und Gundel Mattenklott, "Spielregeln in der
Literatur", S. 419-435 |
Der Westen
hat den Fernen Osten auf zwei Arten mißverstanden:
als Vorbild im Irrationalen und im Rationalen. Die Beiträge von Meckling und Mattenklott sind Beispiele für das erste,
Brechts Suche nach dem „Verfremdungseffekt in der chinesischen Schauspielkunst“
für das zweite. Ausgehend von einem platten, weil allzu planen Zweifel an der
rationalen Wissenschaft, konfrontiert I. Meckling das
westliche, logische Denken mit östlichen "uralte[n] Praktiken"
(5.390): die analytische Wissenschaft der östlichen synthetischen Welterkenntnis,
die mechanistische Physik der taoistischen Poesie, das ,männliche' dem
,weiblichen' Denken (S.390, Anm. 7; S.403, Anm. 38; S.409). G. Mattenklott
sieht im "wirklich Uralten", dem chinesischen Orakelbuch I Ging
eine Spielanleitung zur Poesie: aus Staborakelwürfen solle man einen Roman
komponieren (S.433 f.). Mattenklott bemüht I Ging (neben Schach, Tarot und
einer Gruppe französischer Manieristen), um in der Schule zu einer
"Literatur, die wir alle machen können" zu kommen. Denn: "Das
Spiel setzt gegen die allgemeine Unvollkommenheit die Vollkommenheit eines
begrenzten Ganzen" (S.435). Hier scheint mir das Motiv zu liegen, die
Gemeinsamkeit all dieser Versuche, das "Östliche" zum Vorbild zu
erheben: die Flucht aus den Konflikten, aus der "allgemeinen
Unvollkommenheit" in die "Vollkommenheit". Folgerichtig endet
Mattenklott denn auch bei der Kabbala, der adamitischen Ursprache, beim Ende
der "Mehrdeutigkeit", bei der Wahrheit also oder beim Stein der
Weisen. |
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[1] Jonathan D. Spence, Ich, Kaiser von China. Ein Selbstporträt des Kangxi-
Kaisers. New York 1974; zit. nach
der Ubers. Frankfurt/M. 1985,5.105; s. auch 5.71, 91. [2] Ebd., S.159, 217,108. |
Nun ist
diese eindeutige Wahrheit in unserer unvollkommenen Welt offensichtlich nicht
denkend, sondern nur in stummem Einverständnis zu finden. Erschreckend
deutlich macht das Mecklings Vision vom
"Lehrer der Zukunft": er sitzt in einer Art "unio mystica" neben den
Schülern und "wartet ganz einfach"! (S.402, Anm.34) Wendet man sich
nun der östlichen Wirklichkeit zu, aus der dieses obskure Licht uns leuchten
soll, so hat hier ganz sicherlich die Vorstellung vom schweigenden zenbuddhistischen Meister Pate gestanden. Aber der war
eben auch im Osten Eremit oder Mönch, alternativer Außenseiter einer
Gesellschaft, die sich sonst sehr lebenstüchtig die Mehrdeutigkeit der Orakel
zunutze zu machen wußte. Denn wie seit je die
aufgeklärten Politiker bei abergläubischen Völkern Orakel zu ihren
Macht-Gunsten zu wenden wußten (schon von Cäsar
wird das berichtet), so handelte z. B. auch der chinesische Kaiser Kangxi im 17. Jahrhundert. Er wußte
die Hexagramme des I Ging in den Dienst seiner (relativ) aufgeklärten
Herrschaftstechnik zu stellen ("Das Dao des Beamtenseins [. . .] sei
aufrichtig im Dienst, stifte nicht allzuviel
Unruhe"[1]). Jene Daoisten aber mit den
"uralten Praktiken" und dem Hang zur Übernatürlichkeit hielt er für
"Betrunkene oder Idioten", ihre Reden für "leeres
Geschwätz", und wenn sie Irrlehren verbreiteten wie die, daß man im Vertrauen auf den Wurf des Orakels untätig
bleiben könne, dann ließ er sie enthaupten. [2] |
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[3] Martin Buber, Die Lehre vom Tao. Zit.
nach Adrian Hsia (Hrsg.), Deutsche
Denker über China. Frankfurt/M. 1985 = insel taschenbuch. 852, 5.302. [4] Zit. nach Hsia, a.a.O., 5.166. [5] Zit. nach ebd., 5.153 (aus den "Vorlesungen über die
Philosophie der Religion"). [6] Karl Jaspers, Aus dem Ursprung denkende Metaphysiker. Zit. nach Hsia, a. a. 0., S. 320 f., 368. |
Diesen
barbarischen Rat aus dem Fernen Osten wollen wir uns natürlich nicht zu eigen
machen, aber vielleicht bedenken, daß im Abendland
"bemerkenswerterweise die Welterklärung, die man [im Dao - T. L.]
erblickte, stets mit den Neigungen der jeweiligen Zeitphilosophie"
zusammenfiel. [3] Zeittypisch, aber vielleicht doch nicht so zeitbeschränkt,
sofern man ihn als gültige Ausprägung westlichen Denkens betrachtet, wäre
etwa die grobe Äußerung G. F. W. Hegels, der in seinen "Vorlesungen über
die Philosophie der Geschichte" die Orakel des I Ging als
"Zauberei" und "Geistlosigkeit" verdammte. [4] Er gibt
allerdings auch den Unterschied - aus seiner Sicht: den Vorzug - des
westlichen Philosophierens zu bedenken. Denn mit ihm ist das "Moment der
Subjectivität, das will sagen, das sich in sich Reflectiren des einzelnen Willens", d.h. die
"immanente Vernünftigkeit verbunden, wodurch der Mensch Wert, Würde in
sich und Schutz gegen das Äußerliche hätte" [5]. In einer
verständnisvollen, doch sich der Probleme des Verstehens bewußten
Analyse ("Es ist zu widerraten, nur eine einzige Übersetzung zu
lesen", weil nämlich sonst der "Nichtsinologe aus der Ungewißheit nicht herauskommt") wird von Karl
Jaspers das Tao als logischer Zirkel beschrieben, dem das für uns
Unumgängliche fehle: "Das Leben in Frage und Antwort und neuer Frage [.
. .] der Ansatz zur grenzenlosen Selbstreflexion, dieser, im Unterschied von
der vollendeten Ruhe im Tao, in der Zeit nicht aufhörenden Bewegung"
[6], mit anderen Worten, was bei uns "Leben". |
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[7] G. W Leibniz, Novissima Sinica (1697). Zit. nach Hsia, a.a. 0.,
S.17. [8] Bertolt Brecht, Verfremdungseffekte in der chinesischen Schauspielkunst. In: Der Messingkauf = Gesammelte Werke, Bd.16.
Frankfurt/M. 1967, S.619-631. [9] Ebd., S.619. [10] Bertolt Brecht, Der Weg zum großen zeitgenössischen Theater (1930). In: Gesammelte Werke, Bd. 15, S. 203 f.;
vgl. zu den angeblichen asiatischen Einflüssen auch die Anmerkungen von Jan
Knopf zur entsprechenden Literatur in: Jan Knopf (Hrsg.), Brechts "Guter Mensch von Sezuan" Materialien. Frankfurt/M. 1982, S. 306-308. [11] S. dazu die umfassende Darstellung des Brecht- und China-Kenners
Wolftam Schlenker, Brecht hinter der Großen Mauer. Zu seiner Rezeption in der
Volksrepublik China. In: R. Grimm, J Hermand
(Hrsg.), Brecht-Jahrbuch 1980. Frankfurt/M. 1981, S.43-137. |
Erinnert I.
Mecklings "Kehrtwende" von der
"rational-mentalen Bewußtseinsschicht zur arational-supramentalen Schicht" (S. 402, Anm.
34) fatal an die Altertümeleien der völkischen
"Deutschwissenschaft" (ohne nationale Vorzeichen), so steht das
rationale Mißverständnis des Fernen Ostens in einer
älteren Tradition. Es ist verknüpft mit den Wünschen der aufklärerischen Intellektuellen Europas, bei sich eine moralische
und vernünftige Gesellschaft zu errichten, die sie - von nicht unparteilichen
Jesuiten- Berichten beeinflußt - im chinesischen
Kaiserreich ihrer Zeit so sehr vorgebildet sahen, dass Leibniz (ob es ein
Gedankenspiel war?) vorschlug, "daß man
Missionare der Chinesen zu uns schickt"[7]. Denn bis zum Ende des 18.
Jahrhunderts sah man in China vor allem eine vorbildlich vernünftige
Zivilisation, weil das dem eigenen Bedürfnis nach einem vernünftigen Vorbild
am ehesten entsprach. (Das politische Vorbild "China" wurde zuletzt
von der revoltierenden Studentengeneration der sechziger Jahre gepriesen; man
lese dagegen, was chinesische Schriftsteller heute über die Zeit der maoistischen "Kulturrevolution" schreiben!) In dieser
rationalistischen Tradition steht letztlich auch Brecht. Denn die
"Verfremdungseffekte in der chinesischen Schauspielkunst", jenes bewußte Vorführen von Symbolen, ritualisierten Gesten und
überdeutlichen Masken sah er als Mittel gegen die "bis zur Selbstaufgabe
gehende Einfühlung des Zuschauers", als "Technik" oder
"Tricks", mittels derer der Artist sich selber zusieht, Illusion
zerstört und damit beim Zuschauer eine "betrachtende, zuschauende Haltung
kultiviert" [8]. Wie stets in seiner Theatertheorie zielte der Aufklärer
Brecht darauf ab, daß der Zuschauer denkt und nicht
fühlt, daß seine Reaktion auf die Poesie im
"Bereich des Bewußten" [9] stattfindet.
Um so mehr verwundert es, wenn I. Meckling auch
Brecht zum Zeugen für fernöstliches "schauendes Denken" anruft
(S.390, Anm.7). Nun hat
Brecht sich des Asiatischen als Material oder Verkleidung (etwa in "Me-Ti, Buch der Wendungen") gern, aber souverän und
listenreich für seine Zwecke bedient. Nichts lag ihm ferner als das
"Exotische" am "Asiatischen", von dem er nach eigenem
Eingeständnis wenig wußte und an dem ihn nur
interessierte, was für seine Theorie des epischen Theaters brauchbar schien.
"Man wird sehen, daß es uns weit
gleichgültiger ist, wenn wir selber dem asiatischen Theater Falsches
unterschieben sollten." Und "um dem Begriff
,asiatisch' vollends den letzten exotischen Pomp zu nehmen"
deklariert er, daß "die ,niedrigen'
Aufführungen des Münchener Lokalkomikers Karl Valentin [. . .] etwas
,Asiatisches' haben sollen" [10]. Die Nagelprobe auf dieses rationale
west-östliche Mißverstehen - und zugleich einen
Schritt zum Verstehen öst-westlicher Differenzen -
kann man machen, indem man die Wirkung des "asiatischen" Marxisten
Brecht in der sozialistischen Volksrepublik China untersucht. Da ist zu
konstatieren, daß Brechts Theaterstücke im
Herkunftsland der "chinesischen Schauspielkunst" überwiegend als
"ermüdend" und langweilig empfunden werden, weil der
Verfremdungseffekt die gemütvolle Identifikation verhindert, die der
chinesische Zuschauer von der eigenen traditionellen und modernen Bühnenkunst
dringend erwartet. [11] Wie fremd uns auch die ritualisierte, übertreibende
Spielweise auf der chinesischen Bühne sein mag: sie dient dazu, Illusion zu
erzeugen, Distanz zu vermeiden. Denn natürlich sind Unterschiede zwischen
"dem" Westen und "dem" Osten vorhanden, nur liegen sie
mitunter ganz woanders als da, wo der ostsüchtige Westler sie vermutet. |
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[12] Brecht, Verfremdungseffekte, S. 626. [13] Hu Suping, Sinn und Funktion der Veränderungen in Brechts
"Kaukasischem Kreidekreis" gegenüber seiner Vorlage - dem
chinesischen Singspiel "Der Kreidekreis". Abschlußarbeit an der
Deutschen Abteilung des Fremdspracheninstituts Guangzhou, Sommer 1984. Handschr., S. 34 f. –Schlenker, Brecht hinter der Großen
Mauer, S. 99 ff. |
So bemerkte
Brecht, der erst 1935 in Moskau chinesisches Theater auf der Bühne sah (seine
Verfremdungsidee war zu dieser Zeit längst formuliert), daß
zwischen europäischem und chinesischem Theater noch andere Barrieren
standen: "Es ist zunächst schon schwierig, sich, wenn man Chinesen
spielen sieht, frei zu machen von dem Gefühl der Befremdung, das sie in uns,
als in Europäern erregen. Man muß sich also
vorstellen können, daß sie den V-Effekt auch
erzielen bei ihren chinesischen Zuschauern." [12] Und genau das stimmt
nicht. In den Worten einer - modern ausgebildeten, aber traditionsbewußten
- chinesischen Studentin des Faches Deutsch (1984) begeht Brecht hier einen
"sichtlichen Denkfehler": "Hier
wird das ,Gefühl der Befremdung', das durch die
Schauspielweise eines anderen Volkes erweckt wird, mit dem durch
Verfremdungstechnik veranlaßten Befremden
durcheinandergebracht. Die Schlußfolgerung ist
falsch. In Wirklichkeit kann die Darstellung der chinesischen Schauspieler
bei dem chinesischen Zuschauer weder das durch die Schauspielweise veranlaßte Befremden erwecken, noch Verfremdungs-Effekte
erzielen. Das chinesische Theater wirkt gerade dadurch auf den Zuschauer ein,
daß er sich mit den Personen der Handlung
identifiziert, obwohl die chinesischen Schauspieler auf restlose Verwandlung
verzichten. Im chinesischen Theater sind die meisten Masken und Gesten der
Bühnenfiguren von Generation zu Generation überliefert. Diese stilisierten
Gesten und Masken deuten auf wirkliche Gefühle und bestimmte Charaktere. Weil
die chinesischen Zuschauer diese Gesten und Masken erkennen, können sie sich
leicht in die Personen der Handlung einfühlen. (Denn) die stilisierten Gesten
und Masken des chinesischen Theaters (beruhen) auf hypnotisch suggestiver
Grundlage als den Mitteln, mit denen die Illusion der Wirklichkeit erzeugt
und dadurch die Einfühlung erzielt wird". [13] |
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[14] Schlenker, Brecht hinter der Großen Mauer, S. 99ff. Diesen Artikel als öffnen
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Gefühle zu
erleben, die in Andeutungen und Zeichen mehr verschwiegen als exponiert
werden, das ist sehr chinesisch. So war das Wichtige an der Aufführung von
Brechts Stück "Galileo Galilei" 1978/79 in Peking nicht, daß es durch die Regie zu einer einfühlsamen Mitleidstragödie
umgestaltet wurde, sondern daß damit andeutend auf
die noch andauernde Unterdrückung von Wissenschaft und Kunst gezeigt
wurde.[14] In einem sich wandelnden China kommt das Licht für die
Menschenrechte des Individuums aus dem Westen. Denn die Idee der Freiheit des
reflektierenden Subjekts ist die immer noch moderne Botschaft des Westens.
Was immer er von der meditierenden Gelassenheit des Fernen Ostens lernen
kann (in dem weit weniger die dunkle Lässigkeit des Tao verwirklicht war und
ist als die erbarmungslose konfuzianische Unterordnung): bei allem Zweifel an
der "Verkopfung" sollten wir im Westen
unser Haupt von den dämmernden Nebeln aus dem Osten freihalten, damit aus dem
Licht nicht Dunkelheit und aus dieser kein Schaden wird; oder, um die
Anregung zum Spiel mit Worten aus DD 84 aufzugreifen, damit aus "lux" nicht "nox ex oriente" und schließlich "noxa"
werde. |
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Th. Lange |
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Ó
1998/2005 W.
Geiger |
Das westliche Asienbild im Zeitalter der Globalisierung Aktualisierte Beobachtungen und Notizen von 1997 Überarbeitete Version von
»Das westliche Asienbild im Zeitalter der Globalisierung – aktuelle
Beobachtungen und Notizen«, in: Orientierungen
– Zeitschrift zur Kultur Asiens (Bonn), 2/1998, 1-11. |
L’image de l’Asie en Occident à l’époque
de la mondialisation Observations
et notes de 1997, actualisées |
[1] wie es Wolfgang Kubin
treffend in seiner Kritik dargelegt hat (Orientierungen
1/1997). |
Kulturen sind komplex. Jeder findet in
ihnen, was er sucht. Thomas Kleine-Brockhoff
in Die Zeit 1997. Der Blick des westlichen Global Player nach
Ostasien schwankt zwischen der Versuchung, von dem dortigen Boom zu profitieren,
und der Angst, dabei unter die Räder zu geraten. Gegenwärtig ist wieder
Optimismus angesagt, wenn auch gedämpft. Man erinnert sich nämlich noch an
den ostasiatische Börsen- und Finanzkrach des Jahres 1997, der damals ein
Ventil für Ressentiments in der Presse öffnete, in denen sich analog offene
Schadenfreude darüber mit Angst vor den Auswirkungen auf die Weltkonjunktur
mischte... und uralte Klischees mit neuen verschmolzen, bis hin zur gezielt
aufgegriffenen Parole von der „Gelben Gefahr“. »Die anderen Kulturen wollen sich
modernisieren, nicht unbedingt verwestlichen.« So
resümierte Samuel Huntington seinen Vorwurf an den Rest der Welt in der
Zeitung Le Monde (18.11.1997)
anlässlich der französischen Übersetzung seines Buches, das lediglich eine
den Leser strapazierende Auswalzung der Thesen seines Artikels von 1993
darstellt [1]. Diese stießen schon damals auf eine, wie mir scheint, eher
verdächtige denn beruhigende Einmütigkeit der Ablehnung, jedenfalls in
Deutschland (mit wenigen Ausnahmen). Verfolgt man nämlich die
Pressekommentare zu den Entwicklungen in der Welt, so drängt sich der
Verdacht auf, dass Huntingtons Klischees in Wirklichkeit schon längst
Eingang gefunden haben in die Weltsicht, wie sie uns durch die Zentralorgane
der öffentlichen Meinung wie z.B. Die
Zeit mehr oder weniger aufgezwungen wird. |
Le
regard occidental sur l’Asie orientale est caractérisé par l’opposition entre
attraction et peur, sur le plan géopolitique et géo-économique
aujourd’hui comme sur le plan culturel autrefois. Le
reproche de Huntington : « Les
autres civilisations veulent se moderniser, pas forcément
s’occidentaliser. » |
[2] Cf. Samuel P. Huntington, Kampf der
Kulturen. Die Neugestaltung der Weltpolitik im 21. Jahrhundert,
München/Wien (Europa-Verlag) 1996, Siedler-Taschenbuch 1998. [3] Huntington, op. cit., p.268ff. [4] ÖJürgen Clemens Presseauswertung zur
„asiatischen Herausforderung“ 1996 Die Untersuchung erschien im Mai 1997. |
Huntington [2] wird zu Unrecht als der Prophet
des neuen Weltkonflikts mit dem Islam gesehen, vor allem nach den Anschlägen
des 11. September 2001 – zu Unrecht, denn Huntingtons Weltvision befasst sich
mit der ganzen Welt und nicht prioritär mit dem Nahen Osten. Anders als im
Falle der islamischen Welt geht es im Huntingtonschen Konfliktszenario
bezüglich Ostasiens auch nicht primär um den Vorwurf der ausbleibenden
Verwestlichung, wie es der oben zitierte Satz suggeriert, sondern um die stattfindende
Modernisierung. Durch seine ökonomische Entwicklung werde China zum größten
Konkurrenten des Westens werden, prognostizierte Huntington gewiss
zutreffend, und das sei der eigentliche casus belli. In nicht allzu ferner Zukunft wird man sich somit
die Frage stellen können, möchte ich meinerseits anschließen, welches China
im Rückblick der größere Alptraum des kapitalistischen Westens darstellte:
das von einer Milliarde Kommunisten oder das von einer Milliarde Menschen,
die den Reichtum des Kapitalismus auch für sich haben wollen. Huntingtons
China beschränkt sich übrigens nicht auf den gleichnamigen Staat, vielmehr
schließt er das politisch verfeindete Taiwan sowie die »chinesisch geprägten«
südostasiatischen Staaten zu einem geopolitischen und -ökonomischen
Groß-China zusammen, das von derselben Kultur und intensiven Verwandtschaftsbeziehungen
führender Schichten geprägt sei, die Auslandschinesen seien eine Art
wirtschaftliche 5. Kolonne Chinas in der Eroberung dieses Teils der Welt [3].
Damit untermauert Huntington die in jener Region
verbreiteten Furcht vor den ethnischen Chinesen, die immer wieder in
xenophoben Ausschreitungen kulminiert. Huntington versteht es sogar,
gegenläufige Tendenzen auf diesen Nenner zu bringen, denn nicht nur chinesische
Investitionen in diese Länder sind entsprechend suspekt, sondern auch das
Gegenteil, der Abzug von Kapital durch die Investitionen von Auslandschinesen
in China, zu der sie sich nach den geglückten Experiment der Rückkehr
Hongkongs nach China ermuntert sahen. In einer Analyse der Medienberichterstattung
zur „asiatischen Herausforderung“ 1996 bilanziert Jürgen Clemens ein
Panoptikum von Bedrohungsdebatten à la Huntington: »"Asien gegen den Westen". Mit
dieser Feststellung und ohne jedes Fragezeichen präsentierte das
deutsch-französische Gemeinschaftsprogramm Arte in der Reihe Was unter
den Nägeln brennt einen Themenabend zu Asien. Auch wenn die französische
Redaktion sich etwas zurückhaltender zeigte und die Sendung Globalisierung:
"Muß man Angst vor den Drachen haben? " [Mondialisation: Faut-il avoir peur des dragons?] nannte, so
wird doch deutlich: Der Eindruck wird erweckt, daß
Angst umgeht.«[4] Kurz nach den düsteren Prophezeiungen über den
ökonomischen Siegeszug des von Huntington so genannten „sinischen
Kulturkreises“, kam es bereits zum ostasiatischen Finanzkrach des Jahres
1997. Eine nicht nur klammheimliche Freude durchzog alsbald die westlichen
Medien, so z.B. im Titel der Zeit
vom 12.9.1997: »Asien ist doch kein Modell [...] Die Tigerstaaten sind
geschwächt, die Zeit des Hochmuts geht zu Ende - nutzt Europa seine Chance?« Theo Sommer bemüht darin die Tradition
universalgeschichtlicher Visionen »von Marx über Spengler bis zu den Apokalyptikern
unserer Tage« (gemeint ist Huntington), die die Wanderung des »Schwerpunkts
der Geschichte« von Osten nach Westen, von Europa nach Amerika und von dort
in den pazifischen Raum vorhergesagt oder gefürchtet hatten. Sommer will
solche Prophetien angesichts der aktuellen Situation ad absurdum führen, dabei
offenbart er jedoch nolens volens mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede mit
jenen »Herolden der Konfrontation zwischen Ost und West«, nämlich westlichen
Hochmut in der Denunzierung asiatischen Hochmuts sowie eigene Häme bei der
Feststellung, die Illusion des asiatischen Wunders, der »hämisch triumphierend
viele Asiaten, furchtsam kapitulierend viele Westler« erlagen, sei nun zu
Ende, und dies bereits seit einiger Zeit, denn schon zu Beginn der 90er Jahre
»platzte [...] Japans Seifenblasen-Wirtschaft.« Welche Sprache! Welche Einbildungskraft, die
»zweitgrößte Volkswirtschaft der Erde« - ein Faktum, das Theo Sommer am
14.11.97 immerhin in Erinnerung rief - als »Seifenblasen-Wirtschaft« zu apostrophieren!
Als sei sie nur das Produkt jener »weltweiten Spekulationsblase« (Zeit vom 31.10.97), die in der Folge
des fernöstlichen Börsenkrachs geplatzt ist... Der japanische Boom, so schob
Sommer am 14.11. nach, basierte auf einer »Seifenblasen-Konjunktur«, weil
auf einer Staatsverschuldung jenseits des Maastricht-Limits. Auch wenn die in
dieser Kritik aufgeführten Fakten cum grano salis stimmen, verrät die
Wortwahl jedoch, dass es hier um mehr als nur um eine wirtschaftspolitische
Schelte geht, denn wer hätte z.B. die USA zu Zeiten ihrer Hochverschuldung
als »Seifenblasen-Wirtschaft« bezeichnet? Die Zeit
stand mit solchen Ressentiments und einer zumindest anfänglichen
Schadenfreude, später dann getrübt durch die Furcht vor Auswirkungen auf die
Weltkonjunktur, natürlich nicht allein, auch in der französischen Presse
sprach man etwa vom »großen Bluff«. |
Huntington
dénonce un impérialisme économique chinois en Asie orientale. Est-ce
qu’on finira par se demander quelle Chine aura fait plus peur aux Occidentaux : celle d’un milliards de communistes
ou celle d’un milliard de Chinois voulant profiter du capitalisme ? Sans
doute pas sans lien aux thèses de Huntington, les médias ont posé la question
« Faut-il avoir peur des dragons ? » – et cela en 1996, juste avant
le crash boursier en Asie. Alors,
en 1997, la presse occidentale était tirée entre les sentiment de soulagement
et de peur face à la crise extrême-orientale. Alors les vieux clichés de
l’Asie résurgissaient avec violence. |
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Interessant ist in diesem Zusammenhang auch
der sich in die Zeit einschleichende
Bild-Zeitungs-Effekt reißerischer Schlagzeilen, die oft weit über das
hinausgehen, was der Artikel dann eigentlich bringt, aber dennoch oder
gerade deswegen den Leser beeinflussen, weil sie vorgeben, den Artikel zu
resümieren; so z.B. klassisch am 14.11.1997: »Die japanische Gefahr«,
semantisch doppeldeutig am 26.11.: »Die Stunde der Abrechnung«, oder im
Killer-Jargon am 31.10.: »Geschwächt, aber nicht erledigt«, über die fernöstlichen
Volkswirtschaften nach dem Crash. Interessanter noch als diese trotz allem
oberflächlichen und zumindest in ihrer Wortwahl primitiven Spontanreaktionen
sind jedoch andere, weitergehende Überlegungen zum Verhältnis zwischen den
Kulturen in der Zeit als Reaktion
auf die Huntington-Thesen. »Ein gewaltsamer Zusammenprall der Kulturen kann
vermieden werden«, schrieb dort Helmut Schmidt am 3.10.1997 als Begründung
für einen Katalog der Verantwortungen und »Menschenpflichten«, die den
Menschenrechten zur Seite gestellt werden sollten (ausgearbeitet von dem
internationalen InterAction Council,
dem Schmidt angehört). In Anerkennung der Universalismus-Problematik schrieb
er dazu weiter: |
Dans Die Zeit on
s’interrogeait sur l’universalité et les différences des valeurs dans le
monde, notamment entre l’Europe et l’Asie, et donc sur la validité du concept
de « combat entre les cultures » de Huntington. |
Die Zeit, 3.10.1997 |
Heute, beinahe ein
halbes Jahrhundert nach der Universal Declaration of Human Rights, ist deren
notwendiger sittlicher Imperativ gegenüber der Menschheit und ihren
zweihundert souveränen Staaten in Gefahr. Denn zum einen wird das Stichwort
»Human Rights« von einigen westlichen Politikern, zumal in den USA, als
Kampfbegriff und als aggressives Instrument der außenpolitischen Presse
benutzt. Dies geschieht zumeist selektiv: zwar gegenüber China, Iran oder
Libyen, nicht aber gegenüber Saudi-Arabien, Israel oder Nigeria. Die Gründe
für solche Einseitigkeit liegen in ökonomischen und strategischen Interessen. Zum
anderen werden die Human Rights von manchen Muslimen, Hindus und Konfuzianern als ein typisch westliches Konzept
aufgefasst und teilweise sogar als Instrument zur Verlängerung westlicher
Vorherrschaft denunziert. Darüber hinaus hören wir besonders in Asien den
erstzunehmenden, ernsthaft begründeten Vorwurf, das Grundrechtskonzept
vernachlässige oder verkenne gar die Notwendigkeit von Tugenden und von
Pflichten und Verantwortlichkeiten des einzelnen gegenüber der Familie, der
Gemeinde, der Gesellschaft oder dem Staat. |
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Nun offenbart der veröffentlichte Entwurf für
einen Katalog der Menschenpflichten gewiss viele Schwächen und dadurch seine
Problematik, etwa bei der Tautologie »Jede Person [...] hat die Pflicht, alle
Menschen menschlich zu behandeln« (Art.1), oder generell durch eine gewisse
Naivität; treffend dagegen ist die Übernahme des Kantschen Imperativs,
vielleicht die einzige echte, das heißt transkulturelle Universalie (was
keineswegs bedeutet, sie würde auch real gelebt...), leider etwas läppisch in
Gestalt des deutschen Sprichworts formuliert: »Was du nicht willst, das man
dir tu, das füg auch keinem andern zu« (Art.4). Uns interessiert jedoch die
anschließende Debatte, vor allem die Reaktion von Thomas Kleine-Brockhoff in
derselben Zeitung am 17.10.1997, der den Autoren des Menschenpflichts-Katalogs
vorwirft, dem Kulturrelativismus in die Falle
gegangen zu sein. Konkret wendet er gegen Schmidt ein: |
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Die Zeit, 17.10.1997 |
Helmut Schmidt glaubt, »ein Minimum weltweit
gemeinsam anerkannter ethischer Standards« werde für das »interkontinentale
Zusammenleben« zur Notwendigkeit. Gerade in Asien gebe es den »ernstzunehmenden,
ernsthaft begründeten Vorwurf«, das Grundrechtskonzept »vernachlässige
oder verkenne« die Verantwortlichkeiten des einzelnen. Dieser Kritik will
das Pflichtenheft Rechnung tragen, um einen »Kampf der Kulturen« zu
vermeiden. Doch
welchem Asien will Schmidt eigentlich entgegenkommen? Gewiss plädiert er als
Kritiker »permissiver Erziehung« nicht für sexuelle Freizügigkeit, wie sie
in manchen asiatischen Ländern verbreitet ist. Sicher will er als Kritiker
des Mordens auf Fernsehschirmen nicht asiatische Gewaltfilme fördern. Ohne
Zweifel will er als Kritiker eines »spekulativen Raubtierkapitalismus«
nicht jenen Familienclans aus den Tigerstaaten huldigen, die Profit zu ihrer
Ersatzreligion gemacht haben. |
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Erstaunliche Denunziation »asiatischer«
Unmoral! Gehen wir in umgekehrter Reihenfolge auf diese Punkte ein: 1.
»Profit als Ersatzreligion asiatischer Familienclans«. (»Pures Profitdenken«
heißt es ebenfalls bei Theo Sommer). Was ist daran typisch asiatisch? Nichts.
Hier wird ein neues Phänomen in Asien denunziert, das im Westen schon längst
verinnerlicht ist (»Profit als Ersatzreligion«) und sogar seit einem Jahrzehnt
eine erstaunliche Renaissance durch die Befreiung von sozialer Moral feiert.
Gewiss gibt es heute im Westen weniger bourgeoise Familienclans als früher,
macht die Anonymisierung des Kapitalismus in Aktiengesellschaften ihn am
Ende humaner? Der Hinweis auf die »asiatischen Familienclans« suggeriert
mehr, nämlich eine mafiöse, mithin vorindustrielle,
vordemokratische und kriminelle Struktur des asiatischen Kapitalismus.
Deutlicher formuliert dies noch Theo Sommer: »Vetternwirtschaft und alles
durchdringende Korruption«. Mag ja sein, aber: Im Westen unbekannt? Am
4.7.1997 erst hatte die Zeit das
rasante Ansteigen der großen und kleinen Wirtschaftskriminalität in
Deutschland angeprangert (»Wir Abzocker«) und die Befürchtung geäußert, daß es bald keine Wirtschaftstransaktion auf rein legaler
Basis mehr geben werde. |
Dans
un article critiquant la position de l’ex-chancelier Schmidt qui cherche une
base de coexistence interculturelle, on revient aux pires préjugés de
l’époque coloniale sur l’Asie : on dénonce une Asie inhumaine, une
« civilisation de la violence », en liant les vieux stéréotypes au
reproche actuel huntingtonien de vouloir établir un
capitalisme sans les valeurs occidentales. |
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2. »Asiatische Gewaltfilme«. Will der Autor
damit andeuten, dass es im Westen keine Gewaltfilme gebe, oder sollen
amerikanische und europäische Gewaltfilme besser sein? Nein, »asiatische
Gewaltfilme« sind natürlich nicht irgendwelche: Die Verbindung zwischen dem
Adjektiv »asiatisch« und dem Substantiv »Gewalt-« knüpft an uralte
Stereotypen über Asien an. (Ich komme darauf zurück). |
Une
analyse détaillée montre qu’on ne reproche aux Asiatiques que le côté
tabouisé de la civilisation occidentale : |
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3. »Sexuelle Freizügigkeit, wie in sie manchen
asiatischen Ländern verbreitet ist.« Zweifellos das
Skandalöseste an der ganzen Pseudo-Argumentation: Damit ist doch wohl die
Prostitution gemeint? Auch wenn sie heute in Thailand und anderswo gewiss
bereits die eigentlich touristische Dimension überschritten hat, ist sie
aber nichtsdestoweniger ein direktes Resultat davon. Schon in der Kolonialliteratur
wurde dies als »einheimische Sitte« dargestellt, was erlaubte, die Europäer
von moralischen Skrupeln zu befreien, wenn sie sich z.B. den Wonnen des
»Tempels der Religion der Sinne« hingaben, wie der französische Marineoffizier
und Schriftsteller Claude Farrère in seinem Roman Les Civilisés
(1902) die Stadt Saigon apostrophiert. Mit anderen Worten: Man konnte davon
profitieren und es gleichzeitig als unmoralisch denunzieren, denn man
passte sich ja nur fremden Sitten an. Auf dieses Niveau wieder abzusinken,
ist sicherlich das erstaunlichste an diesem Artikel in einer Zeitung, die
für sich einen intellektuellen und moralischen Führungsanspruch in Deutschland
erhebt. Es entspricht übrigens exakt der Ideologie, die in einem anderen
Zusammenhang den Sklavenhandel rechtfertigte (und dies zum Teil heute noch
tut): Nicht die Sklavenhändler waren danach am Sklavenhandel schuld, sondern
die einheimischen Potentaten, die ihre Untertanen verkauften; im übrigen sei
die Sklaverei in jenen Ländern Afrikas ohnehin Usus gewesen. So noch ganz
offen in der Fischer Weltgeschichte Bd.32, herausgegeben von Pierre Berteaux. Andere Beispiele könnten noch genannt werden. |
1.
le capitalisme comme une quasi-religion… (–
n’existe pas en Occident ?) 2.
la violence dans le cinéma… (–
n’existe pas en Occident ?) 3.
la permissivité sexuelle… (–
l’Occident n’est pour rien dans la prostitution en Asie orientale ?) |
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Verallgemeinert kann man sagen, dass aus
europäischer Sicht die negativen Auswirkungen der interkulturellen Begegnung
auf die anderen Kulturen stets denen zum Vorwurf gemacht wurden. Doch die
massive Prostitution in Südostasien ist nach dem Gesetz des Marktes das
Angebot auf eine Nachfrage, also ein Resultat der Globalisierung, der
»Verwestlichung«. Ist es ein Wunder, wenn neben anderen Faktoren solche »Umwertungen
aller Werte«, um mit Nietzsche zu sprechen, fanatische Reaktionen in Form von
religiösen Fundamentalismen hervorrufen, wie im afrikanisch-orientalischen
Raum? Werden die alten Sitten und Traditionen wiederhergestellt - oft um so radikaler und mit Mitteln, die wir auch als Kritiker
westlicher Hypokrisie nicht zu rechtfertigen brauchen -, so greift das
Huntingtonsche Propagandaschema mit der Bedrohung des Abendlandes im
Kulturkampf. |
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Womit wir wieder beim Ausgangspunkt wären. Fazit: Nicht ein Mangel an Verwestlichung,
sondern ein Übermaß davon, jedenfalls von einer gewissen Verwestlichung,
erzeugt kulturelle und politische Widerstände gegen die im ökonomischen
Bereich längst vollzogene Globalisierung. Doch was heißt Globalisierung
eigentlich genau? Modernisierung und Verwestlichung? In Wirklichkeit wird
doch keines von beidem für die Welt gewollt! Beides würde den Westen seiner
Vorrangstellung berauben, die ihm immer noch erlaubt, mit dem Argument der
ethisch-moralischen Überlegenheit politisch-ökonomische Überlegenheit zu
beanspruchen. Was heute Globalisierung heißt, hat schon vor langem begonnen,
zu Kolonialzeiten versprach man sich jedoch von der »Öffnung« Japans, Chinas
usw. für den Weltmarkt etwas anderes, als was später dabei herausgekommen
ist: kapitalistische Konkurrenz zum Westen statt Abhängigkeit vom Westen.
Dass der Westen jetzt Sozialstandards für die einst so genannte Dritte Welt
einklagt um die Folgen der von ihm selbst durchgesetzten Globalisierung (d.h.
Anschluss an den Weltmarkt) zu dämpfen, ist eine Ironie der Geschichte:
Soziale Rechte in und für die Dritte Welt waren einst eine Forderung von
Sozialismus und Dritte-Welt-Solidaritätsbewegungen. Auch mit dem gerne
angeführten Verweis auf das ökologische Defizit in den »Schwellenländern«,
das gewiss ein Fakt ist, wird etwas eingeklagt, das im Westen vor kurzem
selbst noch auf heftigsten Widerstand stieß. Tatsächlich kann man sich nicht
vorstellen, wie die ganze Welt, oder auch nur die halbe, so verschwenderisch
und zerstörerisch leben könnte wie der Westen bisher. Doch was folgt daraus?
Dass der Westen ein Privileg auf den Industriekapitalismus hat? Eine hypothetische
Frage, die von der Realität bereits anders entschieden worden ist. Doch in
Zeiten, wo Apokalyptiker wie Huntington mit neuen Konflikt- und
Kriegsvisionen Einfluss gewinnen, freilich eine Frage, die das westliche
Weltbild und die internationalen Beziehungen beeinflussen kann. Der
ideologische Zirkel vom Vorwurf der Unterentwicklung zum Vorwurf der
Entwicklung wäre geschlossen. Unter der Hand werfen daher Prognosen wie
»China wird bis 2015 zum weltgrößten Ölverbraucher und damit zum Klimafeind
Nummer eins werden« (taz vom
17.10.1997) auch im linksalternativen Bereich die Frage auf, ob die
industrielle Entwicklung der »Dritten Welt« aus ökologischen Gründen zu
verurteilen sei. Es wird wohl nicht mehr lange dauern, und das ökologische
Argument wird ebenso offizialisiert werden wie das des sozialen Defizits. |
Le
débat sur la culture cache le débat sur la dimension économique. On
reproche aux Asiatiques de devenir des concurrents capitalistes sans partager
les valeurs prétendument liées aux « bon capitalisme occidental »,
en cachant que le capital occidental a joué un grand rôle dans la crise
financière extrême-orientale. |
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Natürlich will ich damit Forderungen nach
Sozialstandards und Umweltschutz nicht abweisen, sie sind berechtigt, bei
uns und anderswo. Worum es hier geht, ist folgendes: Bei diesen pauschalen
Vorwürfen wird meistens unterschlagen – und darin liegt der ideologische
Aspekt -, dass die westlichen Investoren und Kapitalanleger an der
Entwicklung in Ostasien direkt beteiligt und mitverantwortlich sind, wenn
nicht gar die Hauptverantwortlichen, wie bei der »Seifenblasen-Spekulation«:
Es waren schließlich die westlichen Spekulanten, die dort spekuliert, mehr
oder weniger rechtzeitig ihr Kapital abgezogen und dadurch den Crash
ausgelöst haben. |
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[5] Westfälisches Wirtschaftsarchiv, zit. nach: Wolfgang Köllmann (Hg.), Die Industrielle
Revolution, Stuttgart 1997, Klett Reihe Tempora, p.47. [6] Cf. Stéphane Courtois (Hg.), Das Schwarzbuch des Kommunismus,
München/Zürich (Piper) 1998. [7] Der inflationäre Gebrauch des Begriffs »konfuzianisch«, der
jetzt überhaupt alles erklären soll, wäre gewiss einer eigenen Untersuchung
wert. |
Es gibt also ein vielschichtig motiviertes
ideologisches Bedürfnis die Entwicklung eines eigenständigen Kapitalismus in
Ostasien zu kritisieren. Die früher im Stammtischdiskurs kultivierte Idee –
inzwischen schon weitgehend überholt -, die Japaner imitierten im Prinzip nur
westliche Technologie, könnten jedoch nichts Innovatives hervorbringen,
implizierte den Vorwurf des Plagiats und des Copyright-Diebstahls.
Konnotativ klang dies z.B. auch bei Formulierungen wie der folgenden über die
japanische Eroberungsstrategie des europäischen Computer-Marktes an:
»Zunächst kam es den Managern aus Fernost darauf an, sich das
Produktionswissen für elektronische Bauelemente anzueignen.«
(Spiegel vom 6.8.1990). Auch der
gebildete Spiegel-Leser hat wohl
die Formel »sich das Produktionswissen ... aneignen« nicht im Sinne von Karl
Marx’ Gebrauch des Begriffes »sich etwas aneignen« verstanden, sondern
wahrscheinlich eher im Sinne von geistigem Diebstahl, zumal in einem Kontext
militarisierter Sprache. Militärjargon ist im Wirtschaftsjournalismus gewiss
nicht unüblich (»Märkte erobern« etc.), in besagtem Artikel jedoch extrem:
»Ein Brückenkopf in Europa« überschrieben, erklärt er die »Kampfstrategie«
der Japaner, ihre wichtigsten »Geheimwaffen«, wie sie sich langsam auf
fremden Märkten »vorschieben« um diese dann »aufzurollen« usw. Eine ebenfalls
zum Ausdruck kommende gewisse Faszination für den japanischen Erfolg
kompensiert das keineswegs. Der Vorwurf der illegalen Produktkopien, den
man heute China macht, auch und v.a. hochwertige Industriemaschinen
betreffend, ist eine Ironie der Geschichte, denn auf keine andere Weise kam
die Dampfmaschine seinerzeit nach Deutschland. In einem guten
Geschichtsunterricht können dies heute die Schüler schon erfahren, wie
schrieb doch der Industriepionier Friedrich Harkort
1827 in einem Brief von der Ruhr nach Chemnitz über die Herkunft seiner
Maschinen: „Unsere Maschinenbeziehungen aus England haben wir nur durch
Mittelspersonen, welche schmuggeln, bewerkstelligen können [...]“[5].
Damals gab es übrigens schon Patentrecht und Copyright. Dies war Jahrhunderte
zuvor natürlich nicht der Fall, als sich westliche Reisende aus China das
Know-how holten, das ihnen später zur Erschließung und Eroberung der Erde
diente, vom sogenannten Lateiner-Segel, das in Wirklichkeit ein
Chinesen-Segel war, bis zum Schießpulver. Immerhin gestand man den Japanern noch zu,
dass die Kopie manchmal besser als das Original war. Die Argumentation gegen
die »Tigerstaaten« heute basiert darauf, dass deren Kapitalismus eine
schlechte Kopie des unseren sei. Sie findet eine bedenkenswerte Parallele
auf der Linken, die vor langem schon ihr Verhältnis zum Marxismus-Leninismus
mit der Idee eines guten westlichen und einen bösen östlichen Marxismus gelöst
hat. Natürlich waren die gesellschaftlichen Bedingungen in Europa, Russland
und China vollkommen verschieden. Wie jedoch selbst der Versuch, dem
Kommunismus einen intellektuellen Nürnberger Prozess zu machen, tendenziell
in völkerpsychologische Deutungsmuster abgleitet, zeigt das ebenfalls 1977
in Frankreich erschienene »Schwarzbuch des Kommunismus« eines Historikerkollektivs
unter der Leitung von Stéphane Courtois [6] (vgl. das Dossier in der Zeit vom 21.11.1997). Beim Versuch,
das Unverständliche zu erklären, kommt man dort auf die »traditionelle
russische Gewalt«, eine »Kultur der Gewalt« in Russland zurück, natürlich
nicht ohne den obligatorischen Verweis auf Iwan den Schrecklichen; die
maoistische Obsession der Umerziehungslager wird mit dem Konfuzianismus [7]
erklärt, während das Pol-Pot-Regime durch den in den kambodschanischen
Nationalcharakter eingegangenen buddhistischen Fatalismus ermöglicht
worden sei. Ist letzteres nicht ein weiterer Versuch, wenn auch nur
angedeutet, die Verhältnisse auf den Kopf zu stellen und die Opfer für ihr
Leiden (mit-) verantwortlich zu machen? Man kann noch weiter fragen: Sind
diese beiden Phänomene – Gewalt und ihre fatalistische Erduldung – nicht zwei
Seiten einer Medaille? Tatsächlich hat Ernst Jünger bereits in seinem Weltkrieg-II-Tagebuch
Strahlungen die Dialektik zwischen
russischer Gewalttätigkeit und der extremen Leidensfähigkeit des russischen
Volkes formuliert (Eintrag vom 1.4.1945). Mit der »Kultur der Gewalt« in Russland oder
Asien generell sind wir freilich wieder beim Syndrom der »asiatischen Gewalt«
von vorhin, einem Ideologem, das auf der Linken die Ein- und Abgrenzung eines
asiatischen Kommunismus, quasi als Wiederkehr der »asiatischen Despotie«,
ermöglichte, und auf der Rechten die Theorie der »asiatischen Tat« (Ernst
Nolte seinerzeit im sog. Historikerstreit) als Charakteristikum und Ausgangspunkt
der Massenverbrechen des 20. Jahrhunderts. Es fehlt nur ein kleiner Ruck,
und Linke und Rechte könnten sich darauf einigen, dass nicht Karl Marx,
sondern Iwan der Schreckliche und Konfuzius für die »asiatischen Taten« des
20. Jahrhunderts verantwortlich zu machen sind... So wird daher mit zweierlei
Maß gemessen: Gerne zitiert man z.B. Zeugenaussagen über Kannibalismus und
andere Greueltaten aus dem Taiping-Aufstand,
wenn es darum geht, Konstanten chinesischer Mentalität aufzuzeigen,
während vergleichbare Schreckensberichte z.B. aus den Vendée-Kriegen
der Französischen Revolution pauschal als unseriös abgetan werden. Und wie
umgekehrt der Hinweis auf einheimische »Sitten« die Kolonialprostitution für
die Europäer moralisch rechtfertigte, so diente auch der Hinweis auf
asiatische Gewalt zur Rechtfertigung der eigenen – paradigmatisch in der
»Hunnen-Rede« Wilhelms II. nlässlich des
Boxer-Aufstands. Zum Abschluss dieser kleinen Polemik sei
betont: Es geht nicht darum, kulturelle Unterschiede zu leugnen; natürlich
gibt es diese auch im Umgang mit Gewalt, im Verbergen oder Zurschaustellen, Verurteilen oder Akzeptieren von
Gewalt, deren verschiedene Formen je nach kulturellem Kontext, nicht selten
aber auch innerhalb von Kulturen (z.B. bei der Todesstrafe) unterschiedlich
gewertet werden, und worüber man wohl zu allerletzt einen interkulturellen
Konsens herstellen kann. Dies soll nicht relativiert werden. Vielmehr geht es
darum, dass Wissenschaftler, Intellektuelle und Journalisten immer noch in
völkerpsychologischen Stereotypen vom Beginn des 20. Jahrhunderts, wenn
nicht gar in archetypischen Kategorien noch früherer Epochen, denken und
argumentieren. Nicht alle, aber viele; meistens subtiler als früher, aber
nicht immer. Dabei geht es dann in letzter Konsequenz gar nicht mehr um »Kulturen der Gewalt«, die nämlich
historisch erklärt werden müssten, da Kulturen historisch wandelbare Größen
sind, sondern um vermeintliche transhistorische
Konstanten von Mentalität, die
einem quasi-biologischen, also rassistischen Deutungsmuster entstammen. Und
es geht darum, dass man nicht Universalist sein kann, ohne konsequent
universalistisch zu denken, dass heißt, die entsprechenden Maßstäbe, an denen
man andere misst, auch auf sich selbst und die eigene Geschichte anzuwenden.
So verwahren wir Deutsche uns strikt gegen völkerpsychologische Ableitungen
der Nazi-Verbrechen aus dem deutschen Wesen, die nicht weniger legitim oder
illegitim sind als die Erklärungen der »asiatischen Gewalt« mit der
asiatischen Mentalität. Widersprüche zwischen politischem Handeln und Denken
im Westen könnten hier noch zu Hauf genannt werden, so preist sich z.B.
Frankreich als das Land der Menschenrechte, amnestiert sich aber selbst – und
zwar im juristischen Sinne – pauschal für seine eigenen Verbrechen im
Algerienkrieg; die USA nehmen für sich eine weltpolitische Mission für
Freiheit und Sicherheit in Anspruch, verweigern aber die Anerkennung einer
internationalen Gerichtsbarkeit für sich selbst. Wenn man nicht pauschal Böswilligkeit
unterstellen will, wie ist dann zu erklären, dass in hiesigen
Asiendarstellungen oft ein prinzipielles Bekenntnis zur kritischen Analyse –
etwas bei Thomas Kleine-Brockhoff: »Kulturen sind komplex. Jeder findet in
ihnen, was er sucht« (wie wahr!) – in der konkreten Darstellung in schlimmste
Klischees und sprachliche Entgleisungen umschlägt? Ein Faktor scheint mir im
allgemeinen Problem der Wahrnehmung von Fremdem zu liegen, genauer in dem
Phänomen, dass man Fremdes – egal, um welche kulturelle Distanz es dabei geht
– stets mit der Tendenz wahrnimmt, Partielles zu generalisieren und
Äußerliches mit Innerem zu verwechseln, jedenfalls am Anfang. Was man an der
Oberfläche einer Gesellschaft sieht, erscheint einem als Ausdruck von deren
innerstem Wesen, Unsitte als (fremde) Sitte: Der Hinweis auf die »sexuelle
Freizügigkeit in manchen asiatischen Ländern« ist ein unverhofft krasses
Beispiel dafür, so krass freilich, dass man derartige Borniertheit nicht als
hermeneutisches Problem entschuldigen kann. Es macht jedoch deutlich, dass
es vollkommen verfehlt wäre zu glauben, die informationelle und kommunikative
Vernetzung der Welt rücke uns die Fremde näher, in dem Sinne, dass wir sie
schneller und besser verstünden. Voraussetzung dafür ist und bleibt immer
noch, dass man sie verstehen will
und die auch kann. Ob diese
subjektiven Faktoren mit der Entwicklung der objektiven Möglichkeiten Schritt
halten – dies ist die Frage. |
Le
reproche d’une mauvaise imitation de l’Occident, voire du faussage
des ces produits industriels, n’est
pas nouveau, ça nous rappelle le discours sur le Japon dans les années 60 et
70. Mais
en cela l’Asie ne fait que réellement imiter l’Occident… Non
seulement l’Allemagne s’est illégalement procuré le plan de la machine à
vapeur anglaise dans les années 20 du 19ème siècle, mais à la fin
du Moyen Age tout ce qui a permis à l’Occident de conquérir le monde par la
suite, l’Occident l’a d’abord importé de la Chine et ensuite
perfectionné : des techniques de navigation aux armes à feu. Mais
les stéréotypes se retrouvent aussi dans d’autres publications. En expliquant le communisme asiatique, dans
Le Livre noir du communisme, de
Stéphane Courtois, on réactualise également les vieux clichés sur la violence
asiatique prétendument inhérente à la civilisation asiatique. Comment
l’Occident peut-il prétendre enfin qu’il y a une « civilisation de la violence »
en Asie, après tout ce qui s’est passé en Europe ? C’est
pour chercher ces explications- excuses, de « l’acte asiatique »
d’Hitler (die asiatische
Tat – la formule est de l’historien Ernst Nolte)
aux actes de Staline intégrés dans la tradition russe depuis Ivan le
Terrible. En
effet, dans le débat sur le marxisme à l’intérieur de la gauche européenne, la critique du stalinisme et du maoïsme
avaient déjà distingué entre un bon marxisme en Occident et un mauvais en
Asie, défiguré par la « mentalité asiatique » Quiconque
prétend l’universalisme de ses valeurs, il doit être crédible en les
respectant soi-m^me, là, il y a des carences
considérables en Occident. Les Allemands récusent la « culpabilité
collective » pour ce qui concerne les crimes nazis, peut-on construire
alors de façon analogue une « mentalité asiatique « ? La
France se considère comme « le pays des droits de l’homme », mais
elle s’est tout simplement amnistiée pour ses crimes commis en Algérie ;
les USA se voient investis d’une mission mondiale pour la liberté, mais
refusent de se soumettre eux-mêmes à une jurisdiction
internationale. Au
fond, on trouve un problème fondamental de la perception de l’étranger :
on généralise le partiel, on confond les côtés extérieur et intérieur. Ce
qu’on voit à la surface paraît comme l’expression d’un caractère inné,
l’immoral paraît relever d’une autre morale. Mais
la persistance de ces phénomènes nous montre que la mondialisation n’a pas
encore suffisamment atteint les esprits. |
W. Geiger |
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