|
Historia
interculturalis |
|
« Fenêtre » Takashi Naraha Clermont-Ferrand |
Thema: Rassismus/Racisme |
|
|
Last
update: 2.6.2009 |
|
|
|
|
Übersicht/Table |
|
|
|
|
|
|
1.
Französische Revolution, Menschenrechte, Kolonialideologie: Vom
Avantgardebewusstsein zur Bevormundung des Anderen Übersetzung
eines Vortrages in Paris 1991. |
|
|
2a. Abolition de l’esclavage et naissance
du darwinisme. Notes sur l’origine du racisme « moderne » par
Wolfgang Geiger Article paru dans Aujourd’hui l’Afrique, n°68, juin 1998, pp.20-23. |
|
|
2b.
Abschaffung der Sklaverei und Entstehung des Darwinismus. Notizen über
den Ursprung des „modernen“ Rassismus von Wolfgang Geiger Deutsche Übersetzung des in Französisch erschienenen Originals
(2a). Dieser zuerst 1998 in einer französischen Zeitschrift
publizierte Text wurde in eine größere Analyse zum pseudowissenschaftlichen
Rassismus in Geschichte und Weltbild eingearbeitet. |
|
3. Hinweise und Links |
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
Wolfgang Geiger Französische
Revolution, Menschenrechte, Kolonialideologie: Vom
Avantgardebewusstsein zur Bevormundung des Anderen |
|
Erstveröffentlichung: Wolfgang
Geiger, « Un élément essentiel de l’idéologie colonialiste :
l’invention des ‘ethnotypes’ à partir de la Révolution française »,
in : La colonisation française du
18ème siècle au 20ème : permanences et ruptures, Table
ronde du 19/10/1991 à la Sorbonne, Amphithéâtre Turgot, organisée sous la
direction de Francis Arzalier, in : Bulletin
de liaison du Groupe de recherhce sur la colonisation européenne 1750-1848,
Institut d’Histoire de la Révolution Française, 1992. |
Der nachfolgende
Text ist die Übersetzung eines Vortrages, der im Rahmen einer „Table ronde“ am 19.10.1991 in Paris an der Sorbonne stattfand. Die Diskussion
wurde von Francis Arzalier für eine Arbeitsgruppe organisert, die über den
französischen Kolonialismus im Rahmen der Forschungen zum
Zweihundertjahrestag der Französischen Revolution am Institut d’Histoire de
la Révolution française arbeitete. Die Vorträge erschienen in einfacher Form
im Bulletin der Arbeitsgruppe. Die Table ronde
beschäftigte sich also mit dem Thema, welche Rolle die Französische
Revolution für die Geschichte des französischen Kolonialismus spielte. Der Titel ist für
die vorliegende Online-Veröffentlichung neu gewählt, der Text durch die
Übersetzung leicht überarbeitet und gekürzt worden. Größere Auslassungen und
Aktualisierungen sind durch eckige Klammern im Text gekennzeichnet bzw. in
den Randnotizen untergebracht. Jedes Kolonialsystem und letztlich
jedes System der Beherrschung des Menschen durch den Menschen benötigt eine
Ideologie um sich zu legitimieren, eine Ideologie, die im Allgemeinen die aus
dieser Beherrschung resultierende
menschliche, gesellschaftliche, politische und rechtliche Ungleichheit durch
eine vorgeblich präexistierende
natürliche, biologische oder kulturelle Ungleichheit rechtfertigt. Diese
rassistischen Ideologien – oder im Sinne von Tzvetan Todorov „idéologies racialistes“, wenn es sich um
wirkliche anthropologische Konzeptionen handelt („Rassenkunde“) – stellen
nicht unbedingt nur Europäer und Nicht-Europäer gegenüber, sie können auch
Anwendung innerhalb des europäischen Raumes finden um zum Beispiel die Völker
an der östlichen oder südlichen Peripherie Europas zu diskriminieren,
Bevölkerungsgruppen, die als zurückgeblieben oder unfähig erachtet werden der
Entwicklung des sich selbst als zivilisierter und fortschrittlicher
verstehenden Europas, das heißt des Westens, zu folgen. [...] [*] Die Revolution von 1789 stellt einen
historischen Einschnitt auch in der Entwicklung von Ideologien zur
Rechtfertigung von Herrschaft dar, insbesondere auf dem Feld des Kolonialismus.
Natürlich waren nun nach der Erklärung der Menschenrechte die alten Legitimationsmuster
des Sklaverei-Kolonialismus nicht mehr zugkräftig. Doch unbeschadet des
Gleichheitsprinzips, das gerade postuliert worden war, zögerten die
Revolutionäre von 1789 bekanntlich nicht, die nun frei gewordenen Menschen in
Frankreich in zwei Kategorien zu teilen, nämlich in „aktive“ und „passive“
Bürger [– die Frauen gehörten ohnehin nicht dazu]. Das Kriterium der
Unterscheidung lag in der Höhe der Einlage der Aktionäre dieser
„Aktiengesellschaft“, die der Staat nach der berühmten Formel von Abbé Sieyes
darstellt. Ausgerechnet auf dem
„rousseauistischen“ Höhepunkt der Gleichheitsidee der Revolution, das heißt
unter dem von den Jakobinern beherrschten Nationalkonvent 1793-94, erfand man
neue Konzeptionen von Ungleichheit unter den Menschen, und das zunächst auf
dem eigenen Boden der Republik, in Frankreich selbst. Damit nämlich der
Vendée-Aufstand nicht „unerklärlich“ blieb, wie er es nach dem berühmten Wort
von Barère erst war, und um auch die gleichzeitigen, „föderalistisch“
genannten Aufstände gegen die Jakobiner zu erklären, schuf man eine Art
Konzeption von „Ethnotypen“ der Bevölkerungen der betroffenen Regionen als
vermeintlich politisches Argument. Man erfand das Klischee des südländischen
Menschen („l’homme du Midi“), der vom Überfluss an Licht und Hitze geblendet
sei, ein sinnlich und folglich wenig verstandesmäßig orientierter Mensch;
sowie den Menschen des Westens, der Mensch des Hainlandes (bocage), der, in
der wuchernden Vegetation und im Nebel eingetaucht, ebenso wenig wie der
Mensch des Südens denke, aber weil er nicht weit sehe, im ursprünglichen
Wortsinne, was ihn besonders dickköpfig mache. |
*Denn „Europa“ war nie wirklich Europa... Die
kulturelle Kluft zum Osten Europas, die
schon lange vor dem rein politischen Eisernen Vorhang existierte, brachte
auch stets Erklärungen auf der Basis ethnokultureller Vorurteile hervor, die
nach dem Fall des Eisernen Vorhangs 1989 interessanterweise eine massive
Renaissance erlebten. |
|
Diese stereotypisierten, manchmal
widersprüchlichen aber im Allgemeinen kohärenten Charakteristiken sind von geographischen,
klimatischen oder sozioökonomischen Bedingungen abgeleitet – das Problem der
Sprache lasse ich hier beiseite –, von Faktoren also, die den Mangel an
Verstandeskapazität erklären sollen, der seinerseits als Erklärung für eine
politische Einstellung jener Leute herhält, die nicht dem Prinzip der
Vernunft folge und somit unvernünftig, kurz: konterrevolutionär sei. Eine
repräsentative Auswahl jener Klischees findet sich im nachfolgenden
Dokumentenanhang. Es ist festzustellen, dass diese
Diskurse strukturell identisch mit jenen des Kolonialismus im eigentlichen
Sinne sind und die expliziten Vergleiche zwischen den vermeintlichen „Wilden“
Frankreichs und den „Wilden“ aus Übersee unterstreichen diese Parallele. Es
ist auch bezeichnend, dass dasselbe Bild oft als Argument für politisch
entgegengesetzte Diskurse dient... So erklärt die Hitze des Südens die
Hitzigkeit der Marseiller Jakobiner, aber auch den Irrationalismus der
antijakobinischen Aufstände. Die sehr geringe geistige Kapazität des Bauern
im Westen, seine Bindung an die althergebrachten Gewohnheiten, sein Mangel
als Kommunikation usw., alle diese „ethnotypischen“ Faktoren werden
gleichermaßen vom aristokratischen Chouan
und vom Nationalbeauftragten, respektive von ihren politischen Nachfolgern im
19. Jahrhundert, vorgebracht, vom einen verteidigt und vom anderen bekämpft,
wobei sie wechselseitig die enorme Hartnäckigkeit dieser Klischees
bestätigen, die ja als solche gar nicht in Frage stehen. Und von diesem
Phänomen gibt es in der Historiographie der Revolution recht deutliche Spuren
noch bis heute, könnte man sagen... Was den jakobinischen Diskurs
betrifft, so ist festzustellen, dass das zuerst existierende Bild vom „guten
Bauern“ – vergleichbar mit dem vom „guten Wilden“ – ersetzt wird durch das
vom Primitivling, vom Ungebildeten, der unfähig ist seine eigenen Rechte,
seine eigenen Interessen zu erkennen, unfähig folglich von seiner Freiheit
den richtigen Gebrauch zu machen, die von der Revolution erkämpft und von der
Nationalversammlung dekretiert wurde. |
|
* Francis
Arzalier, Le ‚colonialisme de gauche’ ou le ‚messianisme des Droits de
l’Homme’ en France, in: Esclavage,
colonisation, libérations nationales – De 1789 à nos jours, colloque
organisé les 24-26 février 1989 à l’Université Paris VIII à Saint-Denis par
l’AFASPA et le COMITE 89, Paris (L’Harmattan), 1990, 203-211. |
Bestimmte Elemente dieser
„Ethnotypen“ sind schon älteren Ursprungs: Man erkennt zum Beispiel die
Wiederaufnahme und Verfeinerung der alten Klimatheorie; und die
Gegenüberstellung „zweier Frankreichs“, durch eine imaginäre von Genf nach
Saint-Malo reichende Linie getrennt, wurde schon von den Physiokraten
aufgestellt und findet nun eine außerordentliche Bestätigung auf der
politischen Ebene [= Norden und Osten revolutionär, Süden und Westen
konterrevolutionär]. Es ist tatsächlich das erste Mal, dass solche
Konzeptionen zu einem echten ideologischen System für direkt politische, d.h.
auf der Tagesordnung stehende Zwecke ausgearbeitet werden. Dieses Denken
spiegelt den Avantgarde-Geist der Jakobiner wider, die nicht nur die gute
Verfassung aufhoben, die sie selbst im Konvent beschlossen hatten, sondern
die Prinzipien der Volkssouveränität selbst (und damit der Menschenrechte),
die ihnen doch heilig waren; und zwar, indem sie behaupteten, dass nur
derjenige, der seine Rechte erkennen konnte, auch das Recht habe sich ihrer
zu erfreuen. Es liegt auf der Hand, dass dieses Argument dazu diente alle
Oppositionellen abzuqualifizieren und aus der Revolution eine Unternehmung
nationaler Erziehung zu machen, welche Bevölkerungsgruppen, die sich oft
gegen die Grundherrschaft erhoben und sich selbst befreit hatten ohne
überhaupt nur eine Zeile von Rousseau gelesen zu haben, diskriminierte und
Kindern gleichsetzte, denen man alles über die Dinge des Lebens beibringen
musste. Diese Parallele Ungebildeter –
Kind – Wilder findet sich in Reinkultur im kolonialistischen Diskurs des
19. Jahrhunderts wieder. Diese Einschränkung des
Naturrechts wird übrigens klar in der Präambel der Menschenrechtserklärung
von 1793 zum Ausdruck gebracht: „L’oubli et le mépris des droits naturels de
l’homme sont les seules causes des malheurs du monde“ – „Das Vergessen und
die Verachtung der natürlichen Rechte des Menschen sind die einzigen Gründe
für das Unglück in der Welt“. Dies sollte erklären, warum diese natürlichen
Rechte nie zuvor in der Geschichte verwirklicht worden waren. Aber wie war
das gemeint? Nun, die „Verachtung“ bezog sich natürlich auf die Despoten und
auf die Kirche aber das „Vergessen“ bezog sich auf ihre Untertanen, auf die
Menschen. Anders gesagt, die Benachteiligten des Ancien Régime hatten Anteil
an der Verantwortung für ihr eigenes Schicksal, ihr eigenes Elend. Auf diese
Konzeption, nach der eine Reife, ein bestimmter Grad an Aufklärung, Bildung
für die Menschen nötig ist, bevor sie sich ihrer natürlichen Rechte erfreuen
können, konnte sich der Diskurs des „Messianismus der Menschenrechte“ (nach
der schönen Formulierung von Francis Arzalier*) das ganze 19. Jahrhundert
stützen, nicht ohne heute noch Spuren davon zu hinterlassen. [Das
Avantgardebewusstsein führt zur Bevormundung des Anderen.] |
|
|
Die Kolonial- oder allgemeiner
die Diskriminierungsideologie beschränkt sich nicht darauf „Ethnotypen“ zu
schaffen, sondern führt zu einer gesellschaftlichen Diskriminierung, wo
„Ethnotyp“ und „Soziotyp“, wenn man so sagen kann, sich überlagern. Ist es
ein Zufall, dass die Diskriminierten sich immer unten auf der sozialen
Stufenleiter befinden? Das „zivilisierte“ Frankreich verachtet das bäuerliche
Frankreich, der industrialisierte Westen die europäischen Regionen, die
ländlich geblieben sind, und Europa als solches fast den ganzen Planeten. Der
Text von Le Bon in der nachfolgenden kleinen Anthologie, vom Ende des 19.
Jahrhunderts datierend und somit wesentlich späteren Datums als die Epoche,
die hier im Zentrum steht, zeigt gleichwohl die absolut logische Konsequenz
dieser Diskrimierungskonzeptionen [mit der pseudobiologischen Argumentation
des Sozialdarwinismus in der Parallelisierung von Ethnotyp und Soziotyp
und einer besonderen Anwendung auf die Frauen]. Der Proletarier, der Bauer
werden mit den „Primitiven“, den „Negern“ usw. auf eine Stufe gestellt, und
diese wurden durch eine schreckliche Logik als die perfekte Rasse der
Landarbeiter betrachtet, so z.B. von Ernest Renan, dem ebenso berühmten wie
falschen Humanisten des 19. Jahrhunderts [dessen hundertstem Todestag 1993 in
europäischer Dimension gedacht wurde] und dessen wirkliches Vermächtnis, das
das 20. Jahrhundert so willig aufnahm, ein Rassismus ist, der dem Hitlers
nahe steht, wie Tzvetan Todorov so hervorragend aufgezeigt hat. [...] Fazit: Wir müssen das Problem
analysieren, wie das Denken der Gleichheit selbst Konzeptionen der
Ungleichheit hervorbringt, wie der Wille zur Uniformität – ein Schlüsselwort
der französischen Revolution – zur Diskriminierung des Anderen führt. |
|
* « Le
revers du centralisme : une certaine ‘ethnographie’ de la France depuis
la Révolution jusqu’à Vichy », in : Suzanne Citron / Christian
Guyonvarc’h / Yves Plasseraud (dir.), Histoire
de France : Mythes et réalités, colloque organisé par la Ligue de
l’Enseignement… [et al.] à Nantes, 5-6/2/1994, Toulouse (Erès) 1995,
pp.61-76. |
Dokumente: Der
Dokumentenanhang ist für diese Online-Veröffentlichung um redundante Elemente
gekürzt worden. Weggelassen wurde ebenfalls ein Schlussteil, der die
Darstellung der Bretagne und Westfrankreichs in Untersuchungen zur
Französischen Revolution behandelt und im wesentlichen wie schon zu Zeiten
der Revolution selbst den vermeintlich „eingeborenen“ konterrevolutionären
Geist durch geographische Faktoren erklärt sieht. Ich habe dies in zwei
französischen Publikationen* weiter ausgeführt und werde dies online an
anderer Stelle aufgreifen. |
* « Paris accapareur! 1789-1989: Pour
une ‘déparisianisation’ de l’histoire de la Révolution française »,
in : Ar Falz – Revue bretonne,
Morlaix, édition spéciale, n°65/66, 1989, 83p. |
|
A. Die
Erfindung des Ethnotyps des Südens in der Revolution |
|
|
1. Erklärung der
jakobinischen Schreckensherrschaft in Marseille in einem Brief des
Direktoriums des Département Bouches-du-Rhônes an den Innenminister,
16.3.1792: Wenn der Exzess an Patriotismus
tadelnswert wäre, wie viele Gründe hätte man nicht ihn zu entschuldigen in
einem Land wo die Köpfe hitzig sind, wo Gefühle Leidenschaften werden und wo
der Fanatismus der Konterrevolutionäre nur um so gefährlicher ist. Es ist
daher notwendig, dass sich der Patriotismus mit mehr Energie zeigt um
hitzigere Gegner mit Erfolg zu bekämpfen. Den physischen Ursachen, die auf
das Klima einwirken, sind die bewaffneten Zusammenrottungen zuzuschreiben,
die sich ihr Recht verschaffen, wenn die Sklerose der bestehenden Autoritäten
die Heißblütigkeit der Citoyens reizt. Aus:
L’invention du Midi – représentations
du Sud pendant la période révolutionnaire, Spezialausgabe der Zeitschrift
Amiras / Repères occitans, N°15-16
(février 1987), p. 118. Übers. W.G. |
Die Terreur in Marseille ging der großen Terreur für ganz Frankreich um ein Jahr voraus. Als die Jakobiner
im Nationalkonvent an die Macht kamen, waren sie auf lokaler Ebene in
Marseille bereits wieder gestürzt. |
|
2. Rede von Marc
Antoine Julien, Kriegskommissar, im Jakobinerklub am 30.8.1793: Das Volk ist gut, dort wie
überall, nur, infolge einer Beeinflussung durch das Klima ist es viel heißer
als anderswo, und diese Hitze, richtig gelenkt, kann nützlich für die
Freiheit sein; sie kann auch durch einen gegenteiligen Effekt zugunsten ihrer
Feinde umschlagen. Marseille ist das Beispiel dafür. Diese früher so für die
Revolution glühende Stadt ist jetzt das blinde Instrument der
Konterrevolutionäre. So kann es in jeder Stadt des Südens gehen. (...) Selbst die Masse der Patrioten
des Südens ist nicht auf der Höhe der Republik, weil sie sich leicht hin zu
politischen Ereignisse und zu Männern der Öffentlichkeit ablenken lässt, die
in ihren Augen nur in einer fernen und oft trügerischen Perspektive
erscheinen. Man muss Aufklärung in diese zu weit vom Zentrum entfernten
Gegenden bringen und dem Volk zeigen, was sein Interesse ist. (...) Während
Sie einerseits von Paris revolutionäre Männer in diese Départements schicken,
die geeignet sind die Meinung zu lenken (...), rufen Sie aus den
verschiedenen Départements die Patrioten nach Paris. Nur in Paris, in diesem
revolutionären Brennpunkt, können sich glühende Freunde der Revolution
bilden: dorthin werden diejenigen sich zu elektrisieren kommen, die
anschließend ihre Citoyens in den Départements elektrisieren werden. Nach
dem Journal des débats de la société
des Jacobins, N°485, aus: L’Invention
du Midi, op. cit., p.125. Übers. W.G. |
|
|
3. Bericht von
Barère an den Konvent am 23 frimaire II (12.12.1793): Marseille war seit Beginn der
Revolution einer der Brennpunkte des Patriotismus. Einer brennenden Sonne
ausgesetzt, hat es den verschiedenen revolutionären Ereignissen den Charakter
seines Klimas vermittelt. Von Feinden des Vaterlandes irregeleitet, hat es
weit mehr Liebe zur Unabhängigkeit als zur Freiheit gezeigt. Irrtümern
ausgeliefert aufgrund seiner Entfernung vom Zentrum der Regierung, hat es
Schwankungen in den Meinungen erleiden müssen, Wechsel im öffentlichen Geist,
Erschütterungen in verschiedener Hinsicht auf dem revolutionären Weg. Aus:
Jacques Guilhaumou, La représentation du républicain marseillais (1791-1793),
in : L’invention du Midi, op.
cit., p. 115. Übers. W.G. |
|
|
4. Lavallée, Reise
in die Départements Frankreichs, Paris, Jahr VIII: Die enorme Menge an Knoblauch,
die sie (= die Provenzalen) gewöhnlich zu sich nehmen, eignet sich so dazu in
einem dauernden Zustand von Fieber zu verweilen; der Piment [scharfe
Pfefferschoten], der Pfeffer, die Gewürze, die Sardellen und die gesalzenen
Sardinen, die sie in erstaunlicher Menge verzehren, und die dem Blut eine
andauernde Säure geben müssen; das Öl und der Pfeffer... machen sie zu
wahrhaftigen Liebessüchtigen. Aus:
René Merle, Langue d’oc et parole populaire: la mise en place des ethnotypes
– Dela Prérévolution au retour des Bourbons, in : L’Invention du Midi, op. cit., p. 40. Übers. W.G. |
|
|
[...] |
|
|
|
|
|
B. Die
Erfindung des Ethnotyps des Westens in der Revolution |
|
|
5. Arthur Young,
britischer Physiokrat, auf einer Reise durch Frankreich 1788: 1. September (1788). – Bis Combourg
liefert das Land einen wilden Anblick: die Landwirtschaft ist nicht weiter
fortgeschritten, zumindest was Kenntnisse angeht, als bei den Huronen, was in
einem Land mit eingehegten Flächen (clôtures) unglaublich erscheint. Die
Leute sind fast genauso wild wie ihr Land und ihr Ort Combourg ist eine der
schrecklichsten schmutzigen Ortschaften, die man zu Gesicht bekommt (...).
Bis nach Rennes, dieselbe seltsame Mischung zwischen wüstem und kultiviertem
Land, halb wild, halb zivilisiert. (...) Bis nach Guingamp ein Land ganz und
gar von Einhegungen durchzogen, die ihm einen düsteren Aspekt verleihen. Arthur
Young, Voyages en France en 1787/88/89,
traduction, introduction et notes de Henri Sée, Paris 1931, 21976,
t.1, pp. 229-232. Übers. W.G. |
|
|
6. Jacques Cambry, Reise in das Finistère 1794-95 : Ich beende meine Beobachtungen
über Morlaix mit einigen Notizen über die Träume der Einbildung, über die
Gebräuche, über einige dem Rest Frankreichs fremde Gewohnheiten. Es gibt kein
Land, selbst in Afrika, wo der Mensch so abergläubig ist wie in der Bretagne.
(...) Zu allen Zeiten lenkte die Religion den Menschen in diesen Gegenden,
mit noch mehr Einfluss als auf dem Rest der Erde. Die theokratische
Herrschaft der Druiden, die Millionen Geister, mit denen sie die Elemente
bevölkerten, die Macht der Weisen über die Natur, all die Träume von
feenhaften Wundergestalten, der Kult der Bäume, der Quellen wurden keineswegs
durch die Apostel des Katholizismus zerstört. (...) Die Hochzeiten bieten noch ein
Schauspiel seltsamer Besonderheiten in der Bretagne. (...) Im Distrikt von
Morlaix und an anderen Orten der Bretagne bittet man in Versen darum die
Mädchen heiraten zu dürfen. Barden liefern sich einen Wettkampf in Geist und
Genie, der eine um sie zu bekommen, der andere um eine Schöne zu verteidigen.
Ich werde die Kämpfe und diese Verse, diese Spiele, die Pferderennen bekannt
machen, letztlich tausend Gebräuche, die den Sitten des restlichen
Frankreichs ferner stehen als jene von Neu- Holland, der Hottentotten oder
Mexikos. Jacques
Cambry, Voyage dans le Finistère,
impr. 1799, Brest 1835, réimpr. Genève 1979, pp. 39, 41. Übers. W.G. |
|
|
7. Aus einem
Bericht über die statistischen Erhebungen des Finistère, frimaire XI (1803): (Im Finistère) ist der Landbewohner
noch, was er vor sechs Jahrhunderten war. N.N.,
Mémoire sur la statistique du Finistère, frimaire an XI, ma., Archives
Nationales, cf. Marie-Noëlle Bourget, Déchiffrer la France – La statistique
départementale à l’époque napoléonienne, Montreux/Paris 1988, p. 234. |
|
|
8. J. B. Huet,
Statistik der Loire-Inférieure (heute Loire-Atlantique), Jahr X (1801/02) Die Einbildung dominiert bei
ihnen. Sie leben inmitten der Schatten, Dämonen, Feen, Wiedergängern und
Zauberern... Der Vogel, der singt, antwortet auf ihre Fragen, bestimmt die
Jahre ihres Lebens, den Zeitpunkt ihrer Heirat; ein zufälliges Geräusch, das
sich dreimal wiederholt, sagt ihnen ein Unglück voraus; das Gejaul eines
Hundes verkündet ihnen den Tod... J.
B. Huet, Statistique de la Loire-Inférieure, an X, p. 11, cf. Bourget, op.
cit., p. 251. |
|
|
9. Dupin,
Statistischer Bericht über das Département Deux-Sèvres, Jahr XII (1803/04): Wenn auf einem ländlichen Jahrmarkt
sich etwas ereignet, das die Aufmerksamkeit dieser drei Arten von Menschen
erregt, die hier zusammengekommen sind, dann wird man die einen nach vorne
laufen sehen um zu schauen, worum es sich handelt; andere unbeweglich
bleiben, bis sich die Sache ihnen nähert; wieder andere schließlich sich
zurückziehen um über die Schulter ihres Nachbarn zu schauen. Das sind der
Mensch der Ebene, der Mensch aus den Sümpfen und der Mensch des Hainlandes
(la gâtine). Der erste zeigt sich offen, weil es nicht seine Gewohnheit sein
kann sich in einem nach allen Seiten offenen Land zu verstecken; der dritte
zieht sich hinter die Menschenmenge zurück, weil er, da er in einem Hainland
lebt, nie anders etwas erspäht als hinter einem Baum oder über eine Hecke.
(...) Diese Besonderheiten liegen vor
allem an der Natur des Bodens, der das Klima beeinflusst, der auf
verschiedene Weise die physische Konstitution des Volkes verändert, seine
Arbeitsweisen, seine Gewohnheiten, und von daher seinen Charakter und seine
Sitten; dann an der Kommunikationsmitteln, die im Hainland (bocage) weit
seltener und schwieriger sind als in der Ebene. Dupin,
Mémoire statistique du département des Deux-Sèvres, Paris, an XII, p. 168,
cf. Bourget, op. cit., pp. 808-11. Übers. W.G. |
|
|
|
|
|
C.
Beständigkeit und Entwicklung des Ethnotyps des Westens nach 1818 von
verschiedenen politischen Standpunkten aus |
|
|
10. Über den
Ursprung der Chouannerie in der Bas-Maine aus Sicht eines royalistischen
Sympathisanten 1825: Mit Ausnahme der Tage, wo die
großen Arbeiten anfallen, zum Zeitpunkt der Heumahd und der Ernte, bleibt
jeder Haushalt isoliert. (...) Der Bauer, der so fast immer alleine lebt und
zu den anderen überhaupt keine alltäglichen Beziehungen hat, die seinen Charakter
beeinflussen und besänftigen, zeigt in all seinen Verhaltensweisen eine echte
Wildheit. (...) (Sie sind) vom Geiste her die einfachsten
Menschen. J.
Duchemin Descepeaux, Lettres sur
l’origine de la chouannerie et des chouans du Bas-Maine..., Impr. Royale,
1825, réimpr. Saint-Malo 1988, pp. 18-28. Übers. W.G. |
Chouannerie :
Bauernaufstände
im Westen gegen die Revolution, die sich zu einem langjährigen Guerrillakrieg
entwickelten. |
|
11. Balzac in seinem Roman Les
Chouans, 1830 : Dort werden die feudalen
Gebräuche noch respektiert. Dort finden die Antiquitätenhändler noch die
Monumente der Druiden aufrecht vor. Dort schreckt das Genie der modernen
Zivilisation davor zurück in ungeheure Urwälder einzudringen. Eine
unglaubliche Wildheit, eine brutaler Starrsinn, aber auch der Glaube an den
Eid: die vollständige Abwesenheit unserer Gesetze, unserer Sitten, unserer
Kleidung, unseres neuen Geldes, unserer Sprache; aber auch die patriarchale
Einfachheit und heroische Tugenden verbinden sich miteinander um die Bewohner
dieser Landstriche ärmer an Verstand zu machen, als es die Mohikaner und die
Rothäute Nordamerikas sind, aber ebenso groß, ebenso gerissen, ebenso hart
wie sie. Die von einigen großen Geistern
unternommenen Anstrengungen, diesen schönen Teil Frankreichs, so reich an
unbekannten Schätzen, dem sozialen Leben und dem Wohlstand zuzuführen, selbst
die Versuche der Regierung sterben inmitten der Unbeweglichkeit einer
Bevölkerung ab, die den Praktiken einer Routine aus unvordenklichen Zeiten
ergeben ist. Dieses Unglück erklärt sich ausreichend durch die Natur eines
noch von Schluchten, Stürzbächen, Seen und Sümpfen durchzogenen Bodens; von
Hecken umzäunt, gleichsam irdene Bastionen, die aus jedem Feld eine Zitadelle
machen; ohne Straßen und Kanäle; dann durch den Geist einer unwissenden,
Vorurteilen ausgelieferten [...] Bevölkerung, die von unserer modernen
Landwirtschaft nichts wissen will. Die pittoreske Anlage dieses Landes, der
Aberglauben seiner Bewohner machen den Zusammenschluss der Individuen und die
durch den Vergleich, den Austausch der Ideen herbeigeführten Wohltaten
unmöglich. Dort gibt es keine Dörfer. Die prekären Konstruktionen, die man
Unterkünfte nennt, sind über die Gegend verteilt. Jede Familie wohnt dort wie
in einer Wüste. Die einzigen bekannten Begegnungen sind die seltenen
Versammlungen, die an Sonntagen und religiösen Feiertagen der Gemeinde
zukommen. Diese stillen Versammlungen, die vom Pfarrer, dem einzigen Herrn
über diese groben Gemüter, beherrscht werden, dauern nur ein paar Stunden.
Nachdem er die schreckliche Stimme dieses Pfarrers gehört hat, kehrt der
Bauer für eine Woche in seine schmutzige Heimstatt zurück; er verlässt sie
für die Arbeit und er kommt wieder zurück zum Schlafen. Balzac,
Les Chouans, 1830 ; livre de
poche, Paris 1983, pp.21-23. Übers. W.G. |
|
|
12. Der Historiker
Jules Michelet über die Konterrevolution in Westfrankreich: Die Revolution, das ist das
Licht selbst. Die feierlichen Debatten des Konvents beginnen unter den Augen
Europas. (...) Und zur selben Zeit (August-September 1792), in den Wäldern
und den Nebeln des Westens, der weit verzweigte Krieg der Dunkelheit. Im
Heideland des Morbihan, entlang der Inseln im Dunst, im düsteren Dickicht des
Départements Maine, im feuchten Labyrinth des Hainlandes der Vendée tauchen
in zweifelhafter Gestalt die ersten Ansätze zum Bürgerkrieg auf. Ein Haus
wird niedergebrannt, ein Patriot ermordet, und woanders noch einer. Vom wem?
Niemand wagt es zu sagen. Der Krieg, der in einem Jahr eine große Armee bis
zur Stadtmauer von Nantes tragen wird, übt sich noch schüchtern im
Morgengrauen oder in der Nacht. Dieses Pfeifen, dieses Wehgeschrei, sind es
die Stimme des Uhus oder des Käuzchens? Der Vogel des Todes, könnte man
sagen... Ja, und von der benachbarten Hecke blitzt ein Schuss auf. Es ist ein
Krieg der Gespenster, unfassbarer Geister. Alles ist dunkel, unsicher. (...)
In diesem Winkel der Erde, dunkel, zurückgezogen und ohne Straßen, hatte der
Priester ein wunderbares Element des Widerstandes gefunden, ein auf
natürliche Weise jeglichem Einfluss trotzendes Volk. Dort, mit bester Hilfe
von den Frauen, hatte er lange nach Lust und Laune ein Kunstwert erschaffen
können, seltsam und einzigartig: eine Revolution gegen die Revolution, eine
Republik gegen die Republik. (...) Der Mensch der Vendée,
eingeschlossen, geblendet durch sein wildes Dickicht, sah nichts von der
Bewegung, die um ihn herum geschah. Wenn er sie einen Moment lang gesehen
hätte, wäre er davon entmutigt worden und hätte nicht gekämpft. Man hätte ihn
weit nach oben, auf die Spitze eines Berges, führen müssen [...]. Der Vendée-Mensch war in seinem
Boden verwurzelt. Er war eins mit der Erde und den Bäumen der Erde. Eher als
seine Ochsen, seine Hecke, sein eingehegtes Land zu verlassen, hätte er noch
dem König den Krieg erklärt. So ist das Hainland (le bocage), so ist das
Sumpfland. Der Mensch des Sumpflandes, der zwischen einem Graben und einer
Pfütze lebt, halb im Wasser, liebt sein Land des Fiebers über alles. Diesen
Wasser-Menschen dazu zu zwingen an Land zu kommen heißt, das Risiko
einzugehen, ihn eher ins Meer zurückzutreiben, ihn den Schmugglern
auszuliefern. Wenn der Vendée-Mensch eine
Revolution ist, dann die der Insoziabilität, des Geistes der Isolation. (...) Gegenüber den unwissenden
Massen, die zwischen zwei Hecken lebten ohne jemals zu jemand anderem als zu
ihren Ochsen zu sprechen, war selbst der Arbeiter der Städte eine
Aristokratie. Jules
Michelet, Histoire de la Révolution
Française, Paris 1847-1853, Llivre VIII, chap. 1er, livre X,
hcap. V-VI. Übers. W.G. |
Vendée :
Der
Aufstand der ländlichen Bevölkerung dieses Départements war die größte zusammenhängende konterrevolutionäre
Aktion und führte im berühmten Jahr II der Revolution (1793/94) zu einem
Bürgerkrieg, der mit entsprechend großer Brutalität durch die
Regierungstruppen entschieden wurde. |
|
13. Victor Hugo
über den Bürgerkrieg in seinem Roman Quatrevingt-treize
(„1793“): Unsichtbare Bataillone lagen auf
der Lauer. Diese unbekannten Armeen schlängelten sich unter den
republikanischen Armeen durch, kamen plötzlich aus der Erde hervor und
kehrten wieder dorthin zurück, sprangen unzählig hervor und verschwanden
wieder, geschickt überall und nirgends da, eine Lawine, dann ein Haufen
Staub, Kolosse mit der Begabung der Verkleinerung, Riesen um zu kämpfen,
Zwerge um unterzutauchen. Jaguare, die sich wie Maulwürfe verhielten. (...) Dieses unterirdische Leben gab
es seit unvordenklichen Zeiten in der Bretagne. Zu allen Zeiten war der
Mensch dort auf der Flucht vor dem Menschen gewesen. Von daher die unter die
Bäume gegrabenen Reptilienbauten. Das stammte schon von den Druiden her und
einige dieser Krypten waren so alt wie die Dolmen. (...) In mehreren dieser Wälder und
Dickichte gab es nicht nur unterirdische, um einen Bau des Chefs gegrabene
Dörfer , sondern es gab auch echte Weiler aus niedrigen Hütten, unter den
Bäumen versteckt. (...) Die Frauen lebten in den Hütten und die Männer in den
Krypten. Sie benutzten für diesen Krieg die Höhlengänge der Feen und die
alten keltischen Verstecke. (...) Die Konfiguration des Bodens
legt dem Menschen viele Tätigkeiten nahe. Sie hat mehr Anteil daran, als man
glaubt. Wenn man bestimmten wilden Landschaften gegenübersteht, gerät man in
Versuchung den Menschen zu entlasten und die Schöpfung anzuklagen: man spürt
eine dumpfe Provokation der Natur; die Einöde ist manchmal ungesund für das
Bewusstsein, vor allem für das wenig aufgeklärte Bewusstsein (...). Das
kleine Bewusstsein macht sich schnell zum Reptil: die Hochwälder im
Morgengrauen, die Ranken, die Dornen, die Sümpfe unter den Bäumen sind ein
fataler Aufenthaltsort dafür: es erleidet die geheimnisvolle Infiltration
schlechter Überzeugungen. Die optischen Illusionen, die unerklärten
Trugbilder, die Verwirrungen des Augenblicks werfen den Menschen in diese Art
halb-religiösen, halb-tierischen Schrecken zurück, der zu gewöhnlichen Zeiten
den Aberglauben hervorbringt und in gewalttätigen Epochen die Brutalität. Die
Halluzinationen halten die Fackel in der Hand, die den Weg des Mordes
erleuchtet. (...) Die weiten Horizonte führen die
Seele zu allgemeinen Ideen – die umschlossenen Horizonte bringen beschränkte
Ideen hervor. (...) Die allgemeinen Gedanken, die von den beschränkten Gedanken
gehasst werden, das ist gerade der Kampf um den Fortschritt. Land, Vaterland (patrie), diese
zwei Worte fassen den ganzen Vendée-Krieg zusammen: Streit zwischen der
lokalen und dem universellen Idee: Bauern gegen Patrioten. Victor Hugo, Quatrevingt-treize (1874),
coll. Folio, |
|
|
14. Gustave Le Bon
über die psychologischen Gesetze in der Evolution der Völker, 1894: Die niedrigsten Schichten der
europäischen Gesellschaften stehen auf einer Stufe mit primitiven Wesen.
(...) Es ist nur eine Frage der Zeit (...) und man sieht die höheren
Schichten einer Gesellschaft geistig so weit von den niederen Schichten
entfernt, wie der Weiße vom Neger oder sogar der Neger vom Affen entfernt
ist. (Über die beiden Geschlechter): Sie können gemeinsame Interessen, gemeinsame
Gefühle haben, aber niemals vergleichbare Gedankenverknüpfungen. (...) Der
Unterschied in ihrer Logik reichte alleine schon aus, eine unüberwindliche
Kluft zwischen ihnen zu schaffen. (...) Die durchschnittliche weibliche
Schädelgröße in Paris gehört zu den kleinsten, die jemals gemessen wurden,
ungefähr auf der Ebene der von Chinesinnen, kaum oberhalb der weiblichen
Schädel von Neu-Kaledonien. Gustave
Le Bon, Les lois psychologiques de
l’évolution des peuples, 1894, pp.27, 32, 37, 42, zit. nach: Tzvetan
Todorov, Nous et les autres. La
réflexion française sur la diversité humaine, Paris (Seuil) 1989, p.136.
Übers. W.G. |
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
Abolition
de l’esclavage et naissance du darwinisme Notes sur l’origine du racisme « moderne » |
Abschaffung der Sklaverei und
Entstehung des Darwinismus. Zum
Ursprung des »modernen« Rassismus Dieser zuerst 1998 in einer
französischen Zeitschrift publizierte Text wurde in eine größere Analyse zum
pseudowissenschaftlichen Rassismus in meinem Buch >>Geschichte
und Weltbild eingearbeitet. |
J’ai
intégré ce texte dans une analyse plus large de la logique
pseudo-scientifique du racisme dans mon livre allemand Geschichte und Weltbild (Histoire et vision du monde), dont vous
trouverez des informations ici : |
Article paru dans Aujourd’hui l’Afrique, revue publiée par l’AFASPA*, n°68, juin
1998, pp.20-23, numéro spécial « 1848-1998 : 150 ans après
l’abolition, la plaie saigne encore » *Association Française d’Amitié
et de Solidarité avec les Peuples de l’Afrique Dans cet
article, j’ai expliqué l’origine du racisme « moderne »,
c’est-à-dire pseudo-scientifique, comme une réaction idéologique à
l’abolition de l’esclavage, idéologie à laquelle le darwinisme naissant au
même moment historique donne les moyens d’une argumentation prétendument
scientifique. Dans ce contexte, je révèle surtout l’importance de la pensée
d’Ernest Renan, mal connu de ce côté-là, et je montre le lien entre
darwinisme, science (anthropologie) et racialisme (selon l’expression de
Todorov). |
|
à la fin du texte |
II existe une dialectique entre l'émancipation des juifs et l'origine de
l'antisémitisme «moderne», entre l'abolition de l'esclavage et la naissance
du racisme «scientifique». C'est que, après l'instauration définitive d'un régime
garantissant les libertés individuelles, le dernier recours pour justifier
l’inégalité des êtres humains fut celui à la science, censée reconnaître les
lois de la nature transcendant les lois humaines. On peut considérer le célèbre Essai sur l’inégalité des races humaines
(1853) de Gobineau comme une réaction au dilemme qu'entraîna l'abolition
de l'esclavage pour la légitimation du nouvel engagement colonial de la
France. En effet, quel statut pouvait-on réserver aux nouveaux colonisés
alors que les anciens venaient d'être libérés et même déclarés citoyens
français? Dès 1846, comme Todorov le rappelle dans Nous et les autres, "un
journal français d'Alger affirme que certaines «races humaines» sont
«vouées à la destruction par un décret de la Providence», ce qui, appliqué
aux Arabes, mène à la conclusion suivante : «L'extinction de cette race
coupable est une harmonie»." (Todorov, p.225). Le racisme de Gobineau,
ignorant à ce moment-là encore la découverte que Darwin était en train de
faire, se basait sur l'angoisse mixophobe d'un déclin de l'Occident suite à
un métissage des races et un mélange des civilisations au détriment de la
pureté de la «race aryenne». Avant même que Gobineau n'eût écrit son Essai,
Ernest Renan, qui deviendra son ami et lui assurera de sa solidarité dans
son jugement, avait déjà noté dans son grand traité L'Avenir de la
science, en 1848/ 49 (publié en 1890 seulement): «Si jamais l'esclavage a été nécessaire à l'existence de la société, l'esclavage
a été légitime [...]. La subordination des animaux à l'homme, celle des sexes
entre eux ne choque personne, parce qu'elle est l'œuvre de la nature et de
l'organisation fatale des choses. Au fond, la hiérarchie des hommes selon
leur degré de perfection n'est pas plus choquante. Ce qui est horrible, c'est
que l'individu, de son droit propre et pour sa jouissance personnelle,
enchaîne son semblable pour jouir de son travail. L'inégalité est révoltante,
quand on considère uniquement l'avantage personnel et égoïste que le
supérieur tire de l'inférieur; elle est naturelle et juste, si on la
considère comme la loi fatale de la société, la condition au moins
transitoire de sa perfection. [...] L'affranchissement des noirs n'a été ni
conquis ni mérité par les noirs, mais par les progrès de la civilisation de
leurs maîtres. [...] Certes, s'il y a une réforme urgente et mûre, c'est
celle-là. Mais nous en concluons qu'il faut sans transition appliquer aux
noirs le régime de liberté individuelle qui nous convient à nous autres
civilisés, sans songer qu'il faut avant tout faire l'éducation de ces
malheureux et que ce régime n'est pas bon pour cela. [...]. Il est certes que
la civilisation ne s'improvise pas, qu'elle exige une longue discipline et
que c'est rendre un mauvais service aux races incultes que de les émanciper
du premier coup. [...] L'esclavage n'élève pas le noir, ni la liberté non
plus. Libre, il dormira tout le jour, ou il ira comme l'enfant courir les
bois. Il y a dans l'abolitionnisme à outrance une profonde ignorance de la
psychologie de l'humanité. J'imagine, du reste, que l'étude scientifique et
expérimentale de l’éducation des races sauvages deviendra un des plus
beaux problèmes proposés à l'esprit européen, lorsque l'attention de l'Europe
pourra un instant se détourner d'elle-même.» (Histoire et parole, p.293
sq.) Ces propos d'un auteur qu'on ne cesse de louer comme un théoricien de la
République montrent bien le dilemme idéologique dans lequel se trouvait un
esprit bourgeois, qui de surcroît se réclamait à l'époque d'une certaine gauche,
face à la réalisation concrète, et non seulement sur le papier, des valeurs
de Liberté, Egalité, Fraternité. En fait, loin d'être une bêtise de
jeunesse, le racisme de Renan ne cessa de se radicaliser avec l'âge.
Préfaçant la publication de L'Avenir de la science, en 1890, Renan
s'expliqua: «Je ne me faisais pas une idée suffisamment claire de
l'inégalité des races [...]. L'inégalité est écrite dans la nature; elle est
la conséquence de la liberté; or la liberté est un postulat nécessaire du
progrès humain.» (p.811 sq.). A mi-chemin entre la rédaction de cette œuvre
de jeunesse et sa publication deux ans avant la mort de l'auteur, se situe le
tournant de 1870/71 qui marqua profondément Renan à plusieurs égards, en
renforçant notamment sa pensée raciste. Ainsi, dans la préface à ses Dialogues
philosophiques, écrits en 1871, il déclare: «Les hommes ne sont pas égaux, les races ne sont pas égales. Le nègre,
par exemple, est fait pour servir aux grandes choses voulues et conçues par
le Blanc. Il ne suit pas de là que cet abominable esclavage américain fût
légitime. Non seulement tout homme a des droits, mais tout être a des
droits: les dernières races humaines sont bien supérieures aux animaux; or nous
avons des devoirs même envers ceux-ci [...]. La meilleure base de bonté,
c'est l'admission d'un ordre providentiel, où tout a sa place et son rang,
son utilité, sa nécessité même.» |
|
|
La doctrine de Darwin répondit en effet à un besoin urgent de l'époque,
celui d'une providence sécularisée, d'une vision téléologique de l'histoire.
A la justification des Droits de l'Homme par le «droit naturel», les
darwinistes pouvaient répliquer par la «loi naturelle» de la sélection.
L'application politique du darwinisme, transposé de la question concernant
l'origine de l'homme à celle concernant son avenir, se fit dès la parution
en français de L'origine des espèces, introduit par la traductrice,
la jeune philosophe Clémence Royer (née en 1830, la seule femme dans ce cénacle)
déclarant: «La loi de sélection naturelle, appliquée à l'humanité, fait voir avec
surprise, avec douleur, combien jusqu'ici ont été fausses nos lois politiques
et civiles, de même que notre morale religieuse. [...] On arrive [...] à sacrifier
ce qui est fort à ce qui est faible, les bons aux mauvais, les êtres bien
doués d'esprit et de corps aux êtres vicieux et malignes. [...] Enfin, la
théorie de M. Darwin, en nous donnant quelques notions un peu plus claires
sur notre véritable origine, ne fait-elle pas par cela même justice de tant
de doctrines philosophiques, morales ou religieuses, de systèmes et d'utopies
politiques dont la tendance, généreuse peut-être, mais assurément fausse,
serait de réaliser une égalité impossible, nuisible et contre nature entre
tous les hommes? Rien n'est plus évident que les inégalités des diverses
races humaines; rien encore de mieux marqué que ces inégalités entre les
divers individus de la même race. Les données de la théorie de sélection
naturelle ne peuvent plus nous laisser douter que les races supérieures ne se
soient produites successivement; et que, par conséquent, en vertu de la loi
du progrès, elles ne soient destinées à supplanter les races inférieures en
progressant encore, et non à se mélanger et à se confondre avec elles au
risque de s'absorber en elles par des croisements qui feraient baisser le
niveau moyen de l'espèce.» (cit. dans : Liauzu, p.88sq.) Le principe de liberté, là aussi, fut loin d'être considéré comme
contraire à ces idées: «Cette théorie conclut en politique au régime de la liberté individuelle
la plus illimitée, c'est-à-dire de la libre concurrence des forces et des
facultés, comme de leur libre association. Puisque ce régime de liberté
individuelle, appliqué à toute la nature organisée depuis l'aube de la vie,
a réussi à faire de la vésicule germinative un homme capable de découvrir
les lois qui le régissent, lui et le monde qu'il habite et qu'il est appelé
à dominer par son intelligence, ces lois ont suffisamment fait leurs
preuves: elles sont bonnes, car elles sont essentiellement progressistes.»
(Cl. Royer, d’après Liauzu, p.90). Ces propos montrent aussi, d'ailleurs, comment ce racialisme (selon
la terminologie de Todorov) visait non seulement les «races inférieures»,
mais aussi des éléments «inférieurs» dans la société européenne. Cette visée
produira des théories sur la psychologie des peuples, des classes et des
races, dont le plus grand expert deviendra Gustave Le Bon, dès le début de la
IIIe République. Il marqua le véritable contrepoint au marxisme en
déclarant que «ce n'est donc pas vers l'égalité que marchent les peuples, mais vers une
inégalité croissante. [...] Les différences anatomiques très grandes qui
séparent les diverses races humaines s'accompagnent de différences
psychologiques non moins considérables. [...] Les différences profondes qui
existent entre la constitution mentale des divers peuples ont pour
conséquence [...][que] la plupart des guerres qui remplissent l'histoire sont
nées de ces dissentiments. Guerres de conquêtes, guerres de religions, guerres
de dynasties, ont toujours été en réalité des guerres de races.» (Lois psychologiques..., 1898/1919,
p.189sq.). Rien d'étonnant que cet auteur, traduit en allemand, devint plus tard
l'un des auteurs préférés des nazis, après Gobineau. Avant la politique raciste, la science raciste ; en France, le médecin Paul
Broca, fondateur des institutions principales de l'anthropologie française
entre 1859 (Société d'anthropologie) et 1875 (Ecole anthropologique de
Paris), mit sur pied le racialisme systématisé en s'appuyant sur
l'anthropométrie humaine, notamment la mesure du crâne (la craniométrie): «En moyenne la masse de l'encéphale est plus considérable chez l'adulte
que chez le vieillard, chez l'homme que chez la femme, chez les hommes
émi-nents que chez les hommes médiocres, et chez les races supérieures que
chez les races inférieures. [...] L'obliquité et la saillie de la face,
constituant ce qu'on appelle le prognathisme, la couleur plus ou moins
noire de la peau, l'état laineux de la chevelure et l'infériorité intellectuelle
et sociale sont fréquemment associés, tandis qu'une peau plus ou moins
blanche, une chevelure lisse, un visage orthognathe (droit) sont
l'apanage le plus ordinaire des peuples les plus élevés dans la série
humaine. [...] Jamais un peuple à la peau noire, aux cheveux laineux et au
visage prognathe, n'a pu s'élever spontanément jusqu'à la civilisation.»
(Extraits de publications de 1861 et 1866, d'après Liauzu, p.96sq.). |
|
|
L'anthropologie racialiste n'épargnait d'ailleurs pas
l'Europe où elle prétendait reconnaître des «races» établies de- puis la préhistoire:
l'une, dolichocéphalique (à tête allongée), considérée comme supérieure (la
«race nordique»), face à d'autres, plus ou moins brachycéphaliques (à tête
large), inférieures (races «méditerranéenne» et «alpine»). Quant au projet
colonial, ces racistes avaient des avis différents. Beaucoup s'opposaient au
projet «missionnariste», considérant les «primitifs» comme inéducables ;
certains mixophobes craignaient aussi le métissage, notamment par une
immigration des colonisés en France. Pour Renan, qui occupe une position-clé
entre droite et gauche, anthropologues et philosophes, la colonisation
s'insérait dans un plan de la «providence historique» qui lui confiait un
rôle quasiment eschatologique. Réagissant à la défaite française de 1870,
il constata, en formulant la loi fondamentale du «darwinisme social» : «La conquête d'un pays de race inférieure par une race supérieure, qui
s'y établit pour le gouverner, n'a rien de choquant. [...] Autant les
conquêtes entre races égales doivent être blâmées, autant la régénération
des races inférieures ou abâtardies par les races supérieures est dans
l'ordre providentiel de l'humanité. [...] La nature a fait une race
d'ouvriers ; c'est la race chinoise, d'une dextérité de main merveilleuse
sans presque aucun sentiment d'honneur ; gouvernez-là avec justice, en
prélevant d'elle pour le bienfait d'un tel gouvernement un ample douaire au
profit de la race conquérante, elle sera satisfaite ; - une race de
travailleurs de la terre, c'est le nègre ; soyez pour lui bon et humain, et
tout sera dans l'ordre ; - une race de maîtres et de soldats, c'est la race
européenne. Réduisez cette noble race à travailler dans l'ergastule comme
des nègres et des Chinois, elle se révolte. [...] Or, la vie qui révolte nos
travailleurs rendrait heureux un Chinois, un fellah [...]. La
colonisation en grand est une nécessité politique tout à fait de premier
ordre. Une nation qui ne colonise pas est irrévocablement vouée au socialisme,
à la guerre du riche et du pauvre.» (La Réforme intellectuelle et morale,
pp.92-94). Renan hésita entre une vision assimilationniste et une autre, darwiniste,
visant la disparition des inférieurs. Dans ses recherches sur les langues
censées refléter les capacités psychiques innées des races, et notamment sur
les langues sémitiques (Renan fut professeur d'hébreu au Collège de France),
il conclut : «La grande race indo-européenne [est] évidemment destinée à
s'assimiler toutes les autres. [...] La race aryenne sera devenue, après des
milliers d'années d'efforts, maîtresse de la planète.» (1855-1858, d'après: OC,
t.VIII, pp. 115, 587). Cependant, Renan établit un classement
hiérarchique de la perfectibilité des races selon des critères culturels
(résumé par Todorov) : 1° Les «CNègres» d'Afrique et d'Australie et les Indiens d'Amérique
constituant des races inférieures, incivilisables : «On n'a pas [...] un seul
exemple d'une peuplade sauvage qui se soit élevée à la civilisation.». 2°
Une race intermédiaire, civilisable jusqu'à un certain degré : les
Asiatiques. 3° Les Sémites (Arabes et Juifs) et les Aryens faisant partie
des races supérieures, parce que Dieu s'est révélé à travers les Juifs, mais
«du jour où ils ont transmis la Bible hébraïque à la science européenne (sic!)
[...] ils n'ont plus rien d'essentiel à faire, [...] la race sémitique
déchoit rapidement, et laisse la race aryenne marcher seule à la tête des
destinées du genre humain. [...] La race sémitique, comparée à la race
indo-européenne, représente réellement une combinaison inférieure de la
nature humaine.» (1855 et 1860, Todorov, pp. 173, 143). |
|
|
Selon Todorov, l’originalité du racisme renanien est d’opposer pour la
première fois principalement Aryens et Sémites ( p. 129). Quant à la perfectibilité
des Sémites, Renan resta contradictoire ; dans une conférence faite à
l'Alliance pour la propagation de la langue française en 1888, par exemple,
il exprima l'idée que «jamais un musulman qui sait le français ne sera un
musulman dangereux» (OC, t.II, p.l090sq.). Il songea aussi à une
amélioration des races par un «projet eugénique [qui] double donc le projet
impérialiste» (Todorov, p. 135): dans une lettre à Gobineau, Renan oppose à
la mixophobie de ce dernier l'idée qu'«une très petite quantité de sang noble
mise dans la circulation d'un peuple suffit pour l'ennoblir [...], en mettant
à part les races tout à fait inférieures, dont l'immixtion aux grandes races
ne ferait qu'empoisonner l'espèce humaine» (Lettre à Gobineau, 26 juin 1856,
d'après Todorov, pp. 135, 165). Mais Renan développa aussi un darwinisme radical visant la pure et
simple disparition des «inférieurs». Dans un de ses Dialogues
philosophiques, Théoctiste, personnage représentant l'auteur, déclare : «[THÉOCTISTE] : La nature, à tous les degrés, a pour soin unique
d'obtenir un résultat supérieur par le sacrifice des individualités
inférieures. [...] Elle sacrifie des espèces entières pour que d'autres
trouvent les conditions essentielles de leur vie. [...] C'est chose monstrueuse
que le sacrifice d'un être vivant à l’égoïsme d'un autre ; mais le sacrifice
d'un être vivant à la fin voulue par la nature est légitime.» (pp. 138, 152).
L'originalité de Renan n'est donc pas seulement d'opposer Aryens et Sémites
dans une «lutte des races», mais aussi de prévoir la disparition des races
inférieures, par la sélection «naturelle» au cours d'une évolution que
l'homme peut positivement ou négativement influencer jusqu'à dépasser les
limites de ce que ferait la nature si on la laissait seulement faire, grâce à
la science à laquelle Renan accordait un véritable rôle eschatologique. Cela
est développé surtout dans le troisième dialogue intitulé Rêves, dont
le caractère utopique ne saurait cacher le fait que, tels les romans de
Jules Verne, ces rêves se sont révélés prémonitoires et furent aussi considérés
comme tels par l'auteur (rappelons que même les admirateurs de Renan
admettent l'identité des pensées de l’auteur et de son personnage) : |
|
|
«[Théoctiste:] Une large
application des découvertes de la physiologie et du principe de sélection
pourrait amener la création d'une race supérieure, ayant son droit de
gouverner, non seulement dans la science, mais dans la supériorité même de
son sang, de son cerveau et de ses nerfs. [...] C'est à la science à prendre
l'œuvre au point où la nature l'a laissée. [...] De même que l'humanité est
sortie de l'animalité, ainsi la divinité sortirait de l'humanité. Il y
aurait des êtres qui se serviraient de l'homme comme l'homme se sert des
animaux. [...] Ces futurs maîtres, nous devons les rêver comme des
incarnations du bien et du vrai; il y aurait joie à se subordonner à eux.
[...] Tout dépend du but, et, si un jour la vivisection sur une grande
échelle était nécessaire pour découvrir les grands secrets de la nature
vivante, j'imagine les êtres, dans l'extase du martyre volontaire, venant s'y
offrir couronnés de fleurs. Le meurtre inutile d'une mouche est un acte
blâmable; celui qui est sacrifié aux fins idéales n'a pas droit de se
plaindre, et son sort, au regard de l'infini, est digne d'envie. [...] (pp.
145, 146, 152). Cette «morale» digne d'un docteur Mengele n'est peut-être même pas la
plus inquiétante de ces prémonitions, car Renan avait aussi une certaine idée
de la façon dont cette utopie pouvait se réaliser. Concluant à la supériorité
du militarisme prussien sur la démocratie française, dans La Réforme
intellectuelle et morale, il fait rêver aussi son personnage dans ce Dialogue
: «[Théoctiste:] Le principe le
plus nié par l'école démocratique est l'inégalité des races et la légitimité
des droits que confère la supériorité de race. Loin de chercher à élever la
race, la démocratie tend à l'abaisser [...]. Cette supériorité de race
pourrait redevenir réelle [...]. De la sorte, on conçoit un temps où tout ce
qui a régné autrefois à l'état de préjugé et d'opinion vaine régnerait à
l'état de réalité et de vérité: dieux, paradis, enfer, pouvoir spirituel,
monarchie, noblesse, légitimité, supériorité de race, pouvoirs surnaturels,
peuvent renaître par le fait de l'homme et de la raison. Il semble que si une
telle solution se produit à un degré quelconque sur la planète Terre, c'est
par l'Allemagne qu'elle se produira. Eudoxe: Entendez-vous que ce
soit un éloge ou une critique? Théoctiste': Comme il vous
plaira. La France incline toujours aux solutions libérales et démocratiques
[...]. Le gouvernement du monde par la raison, s'il doit avoir lieu, paraît
mieux approprié au génie de l'Allemagne, qui montre peu de souci de l'égalité
et même de la dignité des individus, et qui a pour but avant tout
l'augmentation des forces intellectuelles de l'espèce.» (pp. 146-148) |
|
|
Ernest Renan: Œuvres complètes (= OC), Paris (Calmann-Lévy),
1947-1961. Ernest Renan: Histoire et parole. Œuvres diverses, choix de
textes... et commentaires de Laudyce Rétat, Paris (« Bouquins »/Laffont),
1984. Ernest Renan: Dialogues philosophiques. Edition critique par
Laudyce Rétat, Paris (C.N.R.S. Editions), 1992. Ernest Renan: La réforme intellectuelle et morale, textes
présentés par Henri Mazel, Bruxelles (Eds. Complexe), 1990. Gustave Le Bon: Lois psychologiques
de l’évolution des peuples. Paris (F. Alcan), 1898, 151919. Tzvetan Todorov: Nous et les autres. La réflexion française sur la
diversité humaine, Paris (Seuil), 1989. Claude Liauzu: Race
et civilisation. L'autre dans la culture occidentale. Anthologie critique, Paris
(Syros/Alternatives), 1992. |
|
|
Abschaffung der Sklaverei und
Entstehung des Darwinismus Notizen zum
Ursprung des „,modernen“ Rassismus |
Übersetzung des vorherigen Textes |
In französischer
Sprache erschienener Artikel in der Zeitschrift Aujourd’hui l’Afrique, herausgegeben von der AFASPA*, n°68, juin
1998, pp.20-23, numéro spécial « 1848-1998 : 150 ans après
l’abolition, la plaie saigne encore » *Association Française d’Amitié
et de Solidarité avec les Peuples de l’Afrique In diesem Artikel habe ich den Ursprung des « modernen », d.h. pseudo-wissenschaftlichen Rassismus als eine ideologische Reaktion auf die Abschaffung der Sklaverei erklärt, eine Ideologie, welcher der zum selben Zeitpunkt entstehende Darwinismus die Mittel für eine vorgeblich wissenschaftliche Argumentation lieferte. In diesem Kontext verweise ich v.a. auf die Bedeutung des Ideen von Ernest Renan, der von dieser Seite her kaum bekannt ist, und zeige die Verbindung zwischen Darwinismus, (anthropologischer) Wissenschaft und Racialisme (nach der Definition von Todorov) auf. |
Dieser zuerst 1998 in einer französischen Zeitschrift
publizierte Text wurde ausführlicher und in einer größeren Analyse zum
pseudowissenschaftlichen Rassismus in meinem Buch >>Geschichte
und Weltbild eingearbeitet. |
|
am Ende des Textes |
Es gibt eine Dialektik zwischen der Emanzipation der
Juden und dem Ursprung des „modernen“ Antisemitismus, zwischen der
Abschaffung der Sklaverei und der Entstehung des „wissenschaftlichen“
Rassismus. Denn mit der definitiven Errichtung eines Regimes, das die
individuellen Freiheiten garantiert, bleibt als letzte Stütze für die
Rechtfertigung der Ungleichheit unter den Menschen nur noch die Wissenschaft,
von der man glaubt, dass sie die Gesetze der Natur erkennt, die über den
menschlichen Gesetzen steht. Man kann den berühmten Essais sur l’inégalité des races humaines (1853) von Gobineau als
eine Reaktion auf das Dilemma ansehen, das die Abschaffung der Sklaverei für
die Legitimierung des neuen kolonialen Engagements Frankreichs mit sich
brachte. Welchen Status konnte man denn den neu Kolonisierten zugestehen,
während die alten gerade befreit und sogar zu französischen Citoyens erklärt worden waren? Schon
1846, erinnert uns Todorov in Nous et
les autres, „behauptet eine französische Zeitung aus Algier, dass einige »menschliche Rassen durch eine
Verfügung der Vorsehung der Vernichtung ausgeliefert« seien, was, auf die Araber
angewendet, zur Schlussfolgerung führe: »Die Auslöschung dieser schuldigen
Rasse ist eine Wohltat«.“ (Todorov, S.225). Der Rassismus von Gobineau, der
zu diesem Zeitpunkt noch nicht die Entdeckung kannte, die Darwin gerade
machte, beruhte auf der mixophoben Angst vor einem Niedergang des Abendlands
infolge einer Kreuzung der Rassen und einer Mischung der Kulturen zu Lasten
der Reinheit der „arischen Rasse“. Noch bevor Gobineau seinen Essai schrieb, hatte Ernest Renan, der
sein Freund werden und ihm seine Solidarität in der Beurteilung der Dinge
versichern sollte, bereits 1848/49 in seiner großen Abhandlung L’Avenir de la Science (Die Zukunft
der Wissenschaft, erst 1890 veröffentlicht) notiert: „Wenn jemals die
Sklaverei notwendig für die Existenz der Gesellschaft gewesen ist, so war
die Sklaverei legitim. [...] Die Unterordnung der Tiere unter den Menschen,
der Geschlechter untereinander, schockiert niemanden, weil sie das Werk der
Natur und der schicksalshaften Organisation der Dinge ist. Im Grunde ist die
Hierarchie der Menschen nach ihrem Grad an Vollkommenheit auch nicht
schockierender. Schrecklich ist nur, dass der Einzelne nach seinem Recht und
zu seinem persönlichen Vergnügen seinesgleichen ankettet, um von seiner
Arbeit zu profitieren. Die Ungleichheit ist empörend, wenn man nur den
persönlichen und egoistischen Vorteil betrachtet, die der Höherwertige aus
dem Minderwertigen zieht; sie ist natürlich und gerecht, wenn man sie als
ein Schicksalsgesetz der Gesellschaft betrachtet, als ihre zumindest
vorübergehende Bedingung zur Vervollkommnung. [...] Die Freilassung der
Schwarzen haben die Schwarzen weder erkämpft noch verdient, sondern es ist
die Folge des zivilisatorischen Fortschritts ihrer Herren. [...] Gewiss,
wenn es eine dringliche und überfällige Reform gibt, dann ist es diese. Aber
wir folgern daraus, dass man auf die Schwarzen übergangslos das Regime der
individuellen Freiheit anwenden müsse, das auch uns Zivilisierten zusteht,
ohne daran zu denken, dass man zuallererst die Erziehung dieser Unglücklichen
gewährleisten muss und dass dieses Regime dafür nicht geeignet ist. [...] Es
ist gewiss, dass sich die Zivilisation nicht improvisieren lässt, dass sie
eine lange Disziplin erfordert und dass es den ungebildeten Rassen einen
schlechten Dienst erweisen heißt, sie auf einen Schlag zu emanzipieren.
[...] Die Sklaverei erzieht den Schwarzen nicht, die Freiheit tut es genauso
wenig. Als freier Mensch wird er den ganzen Tag schlafen oder wie ein Kind
durch die Wälder streifen. Im radikalen Abolitionismus liegt eine profunde
Unkenntnis der Psychologie der Menschheit. So kann ich mir gut vorstellen,
daß das wissenschaftliche und experimentelle Studium der Erziehung des wilden Rassen [Hervorheb. im Text] eines der
schönsten Probleme wird, die sich dem europäischen Geist stellen, wenn sich
denn die Aufmerksamkeit Europas einen Augenblick lang von sich selbst
abwenden kann.“ (Histoire et parole, S.293f.) |
|
*d.h. des französischen Verständnisses einer Staatsbürgerschaftsnation. |
Diese Worte eines Autors, den man nicht müde wird als Theoretiker
der Republik* zu loben, zeigen gut das ideologische Dilemma auf, in denen
sich ein bürgerlicher Geist befand, der sich zudem damals einer gewissen
Linken zugehörig fühlte, angesichts der konkreten Verwirklichung, und nicht
nur auf dem Papier, der Werte von Freiheit,
Gleichheit, Brüderlichkeit. Tatsächlich ist der Rassismus von Renan weit
davon entfernt eine Jugendtorheit zu sein, denn er radikalisierte sich mit
zunehmendem Alter. Im Vorwort zu L’Avenir
de la Science, 1890, erklärte Renan: „Ich machte mir keine ausreichend
klare Vorstellung von der Ungleichheit der Rassen […]. Die Ungleichheit liegt
in der Natur; sie ist die Konsequenz der Freiheit; die Freiheit ist jedoch
eine notwendige Voraussetzung für den menschlichen Fortschritt.“ (S.811f.).
Auf halbem Weg zwischen der Abfassung dieses Jugendwerks und dessen
Veröffentlichung zwei Jahre vor dem Tod des Autors liegt der Wendepunkt von
1870/71, der Renan in mehrerer Hinsicht prägte, und vor allem durch die
Verstärkung seines rassistischen Denkens. So erklärt er im Vorwort zu seinen
1871 geschriebenen Dialogues
philosophiques: „Die Menschen sind
nicht gleich, die Rassen sind nicht gleich. Der Neger zum Beispiel ist dafür
geschaffen, den großen, vom Weißen gewollten und geschaffenen Dingen zu dienen.
Daraus folgt nicht, dass die abscheuliche amerikanische Sklaverei legitim
war. Nicht nur jeder Mensch hat Rechte, sondern jedes Wesen hat Rechte: die
letzten Menschenrassen stehen noch über den Tieren; selbst diesen gegenüber
aber haben wir noch Pflichten. […] Die beste Grundlage der Güte ist die
Annahme einer Ordnung der Vorsehung, in der alles seinen Platz und seinen
Rang, seinen Nutzen und selbst seine Notwendigkeit hat.“ Die Lehre Darwins antwortete nämlich auf ein dringendes Befürfnis
der Zeit nach einer säkularisierten Vorsehung, einer teleologischen Vision
der Geschichte. Auf die Rechtfertigung der Menschenrechte durch das
„Naturrecht“ konnten die Darwinisten durch das „Naturgesetz“ der Auslese
antworten. Die politische Anwendung des Darwinismus, von der Frage nach dem
Ursprung des Menschen abgeleitet auf die Frage nach seiner Zukunft, gab es
seit der Veröffentlichung der französischen Ausgabe des Ursprungs der Arten mit einem Vorwort der Übersetzerin, der
jungen Philosophin Clémence Royer (geboren 1830, die einzige Frau in diesem
Kreis), worin sie erklärt: »Das Gesetz von der
natürlichen Auslese, auf die Menschheit angewandt, zeigt überraschend und
schmerzhaft, wie falsch unsere bisherigen politischen und zivilen Gesetze
waren, sowie auch unsere religiöse Moral. [...] Wir sind dahin gekommen,
[...] das Starke dem Schwachen zu opfern, die Guten den Bösen, die geistig
und körperlich Begabten den Laster- und Krankhaften. [...] Indem uns die
Theorie von Herrn Darwin einige klarere Vorstellungen über unseren wirklichen
Ursprung gibt, richtet sie denn nicht eben dadurch so viele philosophische,
moralische oder religiöse Lehren, politische Systeme und Utopien, die
vielleicht generös aber mit Sicherheit falsch darauf abzielen, eine
unmögliche, schädliche und widernatürliche Gleichheit zwischen den Menschen
zu verwirklichen? Nichts ist offensichtlicher als die Ungleichheit der verschiedenen
Menschenrassen, nichts tritt klarer hervor als die Ungleichheiten zwischen
verschiedenen Individuen ein und derselben Rasse. Was die Theorie von der
natürlichen Auslese uns an Tatsachen offenbart, kann uns nicht länger daran
zweifeln lassen, dass die höherwertigen Rassen sich nach und nach herausgebildet
haben und dass sie folglich aufgrund des Gesetztes vom Fortschritt durch ihre
fortgesetzte Entwicklung dazu ausersehen sind, die niederen Rassen zu
verdrängen und nicht, sich mit ihnen zu vermischen oder zu vermengen mit dem
Risiko, in ihnen durch Kreuzungen aufzugehen, die das allgemeine Niveau
der Art senken würden.« (zit. in: Liauzu, S.88f.) Das Prinzip der Freiheit war auch hier weit davon
entfernt als Hindernis für diese Ideen zu gelten: „Diese Theorie zielt im Politischen auf das
Regime der grenzenlosesten individuellen Freiheit, d.h. der freien Konkurrenz
der Kräfte und Fähigkeiten, wie ihrer freien Assoziation. Da dieses Regime
individueller Freiheit, das ganzen organisierten Natur seit dem Beginn des
Lebens zu Grund liegt, aus dem Urschleim einen Menschen hat entstehen lassen,
der fähig ist die Gesetze zu entdecken, die ihn beherrschen, ihn und seine
Welt, die er bewohnt und die zu beherrschen er durch seine Intelligenz
berufen ist, so haben sich diese Gesetze ausreichend unter Beweis gestellt:
sie sind gut, denn sie sind ihrem Wesen nach fortschrittlich.“ (Cl. Royer,
nach Liauzu, S.90). |
|
*d.h. seit Mite der 70er Jahre des
19. Jh.s |
Diese Worte zeigen übrigens auch, wie der Racialisme (nach der Terminologie von
Todorov) nicht nur die „niederen Rassen“ ins Blickfeld nahm, sondern auch
„niedere“ Elemente in der europäischen Gesellschaft. Diese Sicht sollte
Theorien über die Psychologie der Völker, Klassen und Rassen hervorbringen,
deren größter Experte Gustave Le Bon wurde, bereits kurz nach Beginn der III.
Republik.* Er markierte den echten Kontrapunkt zum Marxismus, indem er
erklärte: „Die Völker bewegen
sich also nicht auf die Gleichheit, sondern auf eine wachsende Ungleichheit
zu. […] Den sehr großen anatomischen Unterschieden, die die verschiedenen Menschenrassen
voneinander trennen, stehen nicht weniger beträchtliche psychologische
Unterschiede zur Seite. […] Die tiefen Unterschiede in der geistigen
Konstitution, die zwischen den verschiedenen Völkern existieren, haben zur
Folge, […] [dass] die meisten Kriege, von denen die Geschichte voll ist, aus
diesen Entzweiungen heraus entstanden sind. Eroberungskriege,
Religionskriege, dynastische Kriege, sie alle sind in Wirklichkeit
Rassenkriege gewesen.“ (Lois
psychologiques…, 1898/1919, S.189f.) Es ist nicht erstaunlich, dass dieser Autor,
ins Deutsche übersetzt, später einer der bevorzugten Autoren der Nazis werden
sollte, nach Gobineau. |
|
|
Vor der rassistischen Politik kam also die
rassistische Wissenschaft; in
Frankreich schuf der Arzt Paul Broca, Gründer der wichtigsten Institutionen
des französischen Anthropologie zwischen 1859 (Société d’anthropologie) und
1875 (Ecole anthropologique de Paris), einen systematisierten Racialisme, indem er sich auf die
menschliche Anthropometrie stützte, v.a. die Messung des Schädels
(Craniometrie): „Im Schnitt ist die
Gehirnmasse größer beim Erwachsenen als beim Greis, größer beim Manne als bei
der Frau, größer bei den herausragenden Menschen als bei den mittelmäßigen,
größer bei den höherwertigen Rassen als bei den minderwertigen. [...] Der
Gesichtswinkel und die Vorkieferigkeit, Prognathismus genannt, die mehr oder
weniger schwarze Farbe der Haut, die wollartige Struktur des Haars und die
geistige und soziale Inferiorität werden häufig in Zusammenhang gebracht,
während die mehr oder weniger weiße Haut, glattes Haar, ein orthognathes
(gerades) Gesicht zum gewöhnlichsten Erbe der gebildetsten Völker der
menschlichen Art gehören. [...] Nie hat sich ein Volk mit schwarzer Haut,
wolligem Haar und prognathem Gesicht spontan bis zur Zivilisation erheben
können.“ (Aus verschiedenen Publikationen von 1861 und 1866, zit. nach
Liauzu, S.96f.). |
|
|
Die racialistische Anthropologie sparte übrigens
Europa nicht aus, wo sie angebliche seit der Vorgeschichte etablierte
„Rassen“ erkannte: die eine, dolichokephalisch (langköpfig), als höherwertig
geltend (die „nordische Rasse“), in Gegenüberstellung zu anderen, mehr oder
weniger brachykephalischen (rundköpfigen) als minderwertigen (die
„mediterranen“ und die „alpine Rasse“). Zum Kolonialgedanken hatten diese
Rassisten verschiedene Ansichten. Viele sprachen sich gegen das
„missionarische“ Projekt aus, da sie die „Primitiven“ als unerziehbar hielten;
einige Mixophobe fürchteten auch die Vermischung, v.a. durch eine
Einwanderung von Kolonisierten nach Frankreich. Für Renan, der eine
Schlüsselstellung zwischen Linken und Rechten, Anthropologen und Philosophen
innehatte, war die Kolonisation Teil eines Plans der „historischen
Vorsehung“, die ihr eine quasi heilsgeschichtliche Rolle zuwies. In Reaktion
auf die französische Niederlage von 1870 kam er zu folgender Feststellung,
die das Grundgesetz des „Sozialdarwinismus“ zum Ausdruck bringt: „Die Eroberung des
Landes einer niederen Rasse durch eine höhere Rasse, die sich dort etabliert
um es zu regieren, hat nichts Schockierendes an sich. [...] So sehr Eroberungen
zwischen gleichwertigen Rassen zu tadeln sind, so sehr ist die
Regenerierung der niederen oder bastardisierten Rassen durch die höheren
Rassen in der Vorsehung der Menschheit begründet. [...] Die Natur hat
Arbeiterrassen geschaffen: das ist die chinesische Rasse, mit einer wunderbaren
Geschicklichkeit der Hand, fast ohne jegliches Ehrgefühl; regiert sie gerecht,
indem ihr von ihr zum Wohle einer solchen Regierung einen breiten Zins
zugunsten der erobernden Rasse nehmt, und sie wird es zufrieden sein; – eine
Rasse von Landarbeitern, das ist der Neger; seid gut und menschlich zu ihm,
und alles wird in bester Ordnung sein; – eine Rasse von Herren und Soldaten,
das ist die europäische Rasse. Erniedrigt diese edle Rasse zum Frondienst
wie die Neger und die Chinesen, dann revoltiert sie. [...] Das Leben, das
unsere Arbeiter aber zur Revolte bringt, würde einen Chinesen, einen Fellachen glücklich machen. [...] Die
Kolonisation im Großen ist eine politische Notwendigkeit von höchstem Rang.
Eine Nation, die nicht kolonisiert, ist unwiderruflich dem Sozialismus, dem
Krieg zwischen Arm und Reich ausgeliefert.“ (La Réforme intellectuelle et morale,
S.92-94). |
|
|
Renan zögerte zwischen einer
assimilationistischen Vision und einer anderen, darwinistischen, die auf das
Verschwinden der Minderwertigen zielte. Bei seinen Untersuchungen über die Sprachen,
die nach seiner Auffassung die ureigenen psychischen Fähigkeiten der Rassen
widerspiegeln, und v.a. über die semitischen Sprachen (Renan war Professor
für Hebräisch am Collège de France), kam er zum Schluss: „Die große
indoeuropäische Rasse ist offensichtlich dazu bestimmt alle anderen zu
assimilieren. [...] Nach Tausenden von Jahren solchen Bemühens wird dann die
arische Rasse zur Herrin des Planeten.“ (1855-1858, nach: Oeuvres complètes, t.VIII, S.115,
587). Renan stellte jedoch eine hierarchische Klassifizierung der
Perfektibilität der Rassen nach kulturellen Kriterien auf (in der Zusammenfassung
von Todorov): „1° Die »Neger«
Afrikas und Australiens und die
Indianer Amerikas stellen
minderwertige, unzivilisiierbare Rassen dar: »Es gibt […] kein einziges
Beispiel einer wilden Völkerschaft, die bis zur Zivilisation emporgestiegen
wäre«. 2° Eine Zwischenrasse, zivilisierbar bis zu einem bestimmten Grad: die
Asiaten. 3° Die Semiten (Araber und Juden) und die Arier, die den
höherwertigen Rassen angehören, da sich Gott durch die Juden offenbart hat,
aber »von dem Tag an, wo sie die hebräische Bibel der europäischen
Wissenschaft hinterlassen haben [sic!]
[…], haben sie nichts Wesentliches mehr zu tun, […] die semitische Rasse
sinkt schnell und lässt die arische Rasse alleine an der Spitze des
Schicksals der Menschheit marschieren. […] Mit der indoeuropäischen Rasse
verglichen repräsentiert die semitische Rasse wirklich eine minderwertige
Kombination der menschliche Natur.«“ (1855 und 1860; Todorov, S.173, 143.) |
|
|
Nach Todorov besteht die Originalität des
Renanschen Rassismus darin erstmalig grundsätzlich Arier und Semiten
gegenüberzustellen (S.129). Hinsichtlich der Perfektibilität der Semiten
blieb Renan widersprüchlich; in einem Vortrag bei der Allianz für die Verbreitung der französischen Sprache 1888 meinte
er, dass „ein Moslem, der Französisch kann, niemals ein gefährlicher Moslem
sein wird“ (OC, t.II, S.1090f.). Er
dachte auch an eine Verbesserung der Rassen durch ein „eugenisches Projekt,
[das] somit einem imperialistischen Projekt zur Seite stünde“ (Todorov,
S.135): In einem Brief an Gobineau wendet Renan gegen dessen Mixophobie die
Idee ein, dass „eine sehr kleine Menge edlen Blutes, das in Kreislauf eines
Volkes gebracht wird, ausreicht um es zu aufzuadeln […], wenn man die ganz
und gar minderwertigen Rassen beiseite lässt, deren Vermischung mit den
großen Rassen nur die menschliche Spezies vergiften würde.“ (Brief an
Gobineau, 26. Juni 1856, nach Todorov, S.135, 165.) |
|
|
Aber Renan entwickelte auch einen radikalen
Darwinismus, der schlicht und einfach das Verschwinden der „Minderwertigen“
vorsah. In einem seiner Dialogues
philosophiques erklärt Théoctiste, eine Figur, die den Autor
repräsentieren soll: „[THÉOCTISTE:] Die
Natur verfolgt auf allen Ebenen einzig und allein ein höherwertiges Ergebnis
durch das Opfer der minderwertigen Individualitäten zu erreichen. […] Sie
opfert ganze Arten, damit andere die wesentlichen Lebensbedingungen finden.
[…] Es ist ungeheuerlich ein lebendes Wesen dem Egoismus eines anderen zu
opfern; aber das Opfer eines lebenden Wesens für einen von der Natur
gewollten Zweck ist legitim […].“ (S,138, 152). Die Originalität Renans besteht also nicht
nur darin Arier und Semiten in einem „Rassenkampf“ gegenüberzustellen,
sondern auch das Verschwinden der minderwertigen Rassen vorherzusehen,
nämlich durch eine „natürliche“ Selektion im Laufe einer Evolution, die der
Mensch positiv oder negativ beeinflussen kann bis zur Überschreitung der
Grenzen dessen, was die Natur von alleine täte, dank der Wissenschaft, der
Renan eine echte eschatologische Rolle zumaß. Dies wird v.a. im dritten Dialog entwickelt, Rêves (Träume) benannt, dessen
utopischer Charakter die Tatsache nicht verschleiern sollte, dass sich wie
die Romane von Jules Vernes auch diese Träume als prophetisch erwiesen haben
und auch als solche vom Autor betrachtet wurden (es sei betont, dass selbst
die Bewunderer Renans die Überseinstimmung im Denken zwischen dem Autor und
seiner Figur zugeben): „[THEOCTISTE:] Eine
breite Anwendung der Entdeckungen der Physiologie und des Prinzips der
Auslese könnte dazu führen eine höherwertige Rasse zu erschaffen, deren Recht
zu regieren nicht nur in der Wissenschaft, sondern in der Höherwertigkeit
ihrer Blutes selbst, ihres Gehirns und ihrer Nerven läge. [...] Es ist die
Aufgabe der Wissenschaft, das Werk dort aufzunehmen, wo es die Natur
zurückgelassen hat. [...] So wie die Menschheit aus der Animalität
entsprungen ist, so würde die Göttlichkeit aus der Menschheit entspringen.
Es gäbe Wesen, die sich des Menschen bedienen wie der Mensch sich der Tiere
bedient. [...] Diese zukünftigen Herren müssen wir uns als Inkarnationen des
Guten und Wahren träumen, es wäre eine Freude, sich ihnen unterzuordnen.
[...] Alles kommt auf den Zweck an, und wenn eines Tages die Vivisektion in
großem Maßstab notwendig wäre, um die Geheimnisse der lebenden Natur zu
entdecken, so stelle ich mir vor, dass die Wesen in der Ekstase eines
freiwilligen Martyriums mit Blumen bekränzt sich dafür anbieten würden. Der
unnütze Mord einer Fliege ist ein zu tadelnder Akt, derjenige, der den
idealen Zielen geopfert wird, hat kein Recht sich zu beklagen, und sein
Schicksal ist im Hinblick auf das Unendliche beneidenswert. (Dialogues
S.145f., 152) |
|
*nach der Niederlage 1870/71. |
Diese „Moral“ im Sinne eines Doktor Mengele
ist vielleicht nicht einmal das Beunruhigendste an diesen Vorhersagungen,
denn Renan hatte auch eine gewisse Idee davon, wie diese Utopie sich verwirklichen
könnte. Ausgehend von der Schlussfolgerung der Überlegenheit des preußischen
Militarismus über die französische Demokratie* in La Réforme intellectuelle et morale lässt er seine Figur in
diesem Dialog träumen: „[THEOCTISTE:] Der
von der demokratischen Schule am meisten geleugnete Grundsatz ist die
Ungleichheit der Rassen und die Legitimität der Rechte, die aus der
rassischen Höherwertigkeit folgen. Statt die Rasse zu erheben, neigt die
Demokratie dazu, sie zu senken [...] Diese Superiorität der Rasse könnte
wieder Realität werden. [...] So kann man sich eine Zeit vorstellen, wo
alles, was früher nur Vorurteil und überkommene Meinung war, Realität und
Wahrheit würde: Götter, Paradies, Hölle, geistige Macht, Monarchie, Adel,
Legitimität, Superiorität der Rasse, übernatürliche Fähigkeiten, dies alles
kann durch den Menschen und seinen Verstand alleine wiederentstehen. Es
scheint, wenn eine solche Lösung auf irgendeiner Stufe auf dem Planeten Erde
kommt, dann wird sie durch Deutschland kommen. [...] EUDOXE: Verstehen
Sie dies als eine Lobrede oder eine Kritik? THEOCTiSTE: Wie es
Ihnen gefällt. Frankreich neigt immer zu liberalen und demokratischen
Lösungen, das ist sein Ruhm, sein Ideal ist das Glück und das Wohlergehen der
Menschen. [...] Die Regentschaft über die Welt durch den Verstand, wenn sie
denn kommen soll, scheint dem Genie Deutschland besser angemessen zu sein,
das sich wenig um die Gleichheit und sogar um die Würde der Individuen schert
und das vor allem auf die Vermehrung der geistigen Kräfte der Gattung hinzielt. (S.146-148) |
|
|
Ernest Renan: Œuvres complètes (= OC), Paris (Calmann-Lévy ),
1947-1961. Ernest Renan: Histoire et parole. Œuvres diverses, choix de
textes... et commentaires de Laudyce Rétat, Paris (« Bouquins »/Laffont),
1984. Ernest Renan: Dialogues philosophiques. Edition critique par
Laudyce Rétat, Paris (C.N.R.S. Editions), 1992. Ernest Renan: La réforme intellectuelle et morale, textes
présentés par Henri Mazel, Bruxelles (Eds. Complexe), 1990. Gustave Le Bon: Lois psychologiques
de l’évolution des peuples. Paris (F. Alcan), 1898, 151919. Tzvetan Todorov: Nous et les autres. La réflexion française sur la
diversité humaine, Paris (Seuil), 1989. Claude Liauzu: Race et civilisation.
L'autre dans la culture occidentale. Anthologie critique, Paris
(Syros/Alternatives), 1992. |
|
2.6.2009 |
|
|
Von Lincoln zu Obama – 200 Jahre Rassismus Bekämpfung Ein interaktives
Info mit 29 historischen Daten über den Kampf gegen den Rassismus in den USA
auf Arte Online |
|
|
|
Wird erweitert… |
|
|
|
|
|
|
|